Die Preisträger der Max Grünebaum-Preisverleihung 2017 (v.l.n.r.): Dr.-Ing. Lukasz Lopacinski, Caroline Krebs, Henning Strübbe (Schauspieler), Andreas Jäpel (Sänger), Sebastian Thoss (Tontechniker)

Die Preisträger der Max Grünebaum-Preisverleihung 2017 (v.l.n.r.): Dr.-Ing. Lukasz Lopacinski, Caroline Krebs, Henning Strübbe (Schauspieler), Andreas Jäpel (Sänger), Sebastian Thoss (Tontechniker)

Foto: Marlies Kross

Preisträger 2017

Die Preisträger der Max-Grünebaum-Preisverleihung 2017 (v.l.n.r.):
Dr.-Ing. Lukasz Lopacinski, Caroline Krebs, Henning Strübbe, Andreas Jäpel, Sebastian Thoss.


Die Max Grünebaum-Stiftung würdigte am Sonntag, 8. Oktober 2017, in Cottbus Künstler des Staatstheaters Cottbus mit zwei Max-Grünebaum-Preisen und einem Förderpreis. Einen Max-Grünebaum-Preis und einen Förderpreis erhielten Nachwuchswissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus–Senftenberg (BTU Cottbus–Senftenberg)

Max-Grünebaum-Preisträger 2017 des Staatstheaters Cottbus sind der Sänger Andreas Jäpel und der Schauspieler Henning Strübbe. Der Tontechniker Sebastian Thoss erhielt den Karl-Newman-Förderpreis.

Max-Grünebaum-Preisträger 2017 der BTU Cottbus–Senftenberg ist der hervorragende Nachwuchswissenschaftler Lukasz Lopacinski. Der Ernst-Frank-Förderpreis wurde an Caroline Krebs verliehen.

Der Max-Grünebaum-Preis, der in diesem Jahr zum 21. Mal vergeben wurde, ist mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Der Förderpreisträger des Staatstheaters erhält eine Theaterreise nach London, der BTU-Förderpreisträger ein Stipendium für einen Studienaufenthalt in Großbritannien.

 

Henning Strübbe, Schauspieler am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross

Henning Strübbe, Schauspieler am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross

Henning Strübbe

Max-Grünebaum-Preisträger 2017

Es war an einem bitterkalten Novemberabend im Winter 2014:

Ein auffallend schlanker, vom vielen Laufen durchtrainierter, junger Mann steigt nach einer weiten Bahnreise von Neuss (im Rheinland) nach Cottbus aus dem Zug. Gerade tritt der junge Mann mit den markanten Gesichtszügen, die von dunklen, buschigen Augenbrauen beherrscht werden, aus der Bahnhofshalle, zündet sich im ungewohnt frostigen, kontinentalen Wind eine Zigarette an, als ihm jemand von hinten auf die Schulter tippt:

„Guten Tag, Bundespolizei. Personenkontrolle. Ihren Ausweis bitte!“

Kritisch beäugen die Beamten das geforderte Dokument.

„Was machen Sie hier?“

Trotz der der nun auch noch frostig-verbalen Begrüßung gibt der junge Mann bereitwillig Auskunft. Er erklärt, er sei Schauspieler und von Neuss über Berlin nach Cottbus gereist, weil er am morgigen Tag ein Vorsprechen am Staatstheater habe.

„Das kann jeder sagen“, meint einer der Polizisten ungerührt.

„Tragen Sie Waffen bei sich?“

Schmunzelnd erklärt der junge Schauspieler, er habe tatsächlich eine Schreckschusspistole bei sich, es handle sich jedoch um ein Theaterrequisit, das er für sein Vorsprechen morgen brauche.

„Aha. Kommen Sie mal mit“, erwidert der Polizist.

Ehe der junge Mann sich versieht, haben ihn die Gesetzeshüter in ihre Mitte genommen, führen ihn wie einen Verbrecher ab und durchwühlen in ihrem Büro seine Tasche, in der sie prompt eine verdächtige Holzkiste finden.

Zum Glück hat unser junger Mann vorgesorgt und das Kästchen entsprechend beschriftet: R E Q U I S I T E, prangt in großen Lettern darauf. Ein Siegel und ein entsprechender Nachweis der Neusser Theaterrequisite „enttarnen“ die gefährliche Waffe des mutmaßlichen Terroristen zusätzlich. Nachdem die enttäuschten Polizisten bei dem passionierten Läufer des Weiteren auch keine Drogen gefunden haben, kommt der eben noch Verdächtige frei.

Für genügend Adrenalin und eine gute Geschichte, die das Eis am nächsten Morgen bricht, ist nun gesorgt. Das Vorsprechen – mit besagter Pistole!  – wird ein Erfolg und der junge Schauspieler – Henning Strübbe – erhält eine Zusage für ein Engagement am Staatstheater Cottbus.

Szenenfoto mit Henning Strübbe als Marinelli im Trauerspiel „Emilia Galotti“ von Gotthold Ephraim Lessing © Marlies Kross

Szenenfoto mit Henning Strübbe als Marinelli im Trauerspiel „Emilia Galotti“ von Gotthold Ephraim Lessing © Marlies Kross

Der junge Schauspieler trainiert ab sofort nicht mehr an den Ufern des Rheins, sondern an der Spree und spielt auf der Cottbuser Theaterbühne. Manchmal in Gesellschaft einer Pistole (wie in MEIER MÜLLER SCHULZ), ein andermal mit silbernen Degen (HAMLET), mitunter auch in Anwesenheit von übergroßen Muffins (BUNBURY), die plötzlich aus dem Schnürboden fallen … doch stets zusammen mit seinen Schauspielkollegen und der ihm eigenen, offenen, charmanten, bisweilen auch geheimnisvoll anmutenden Persönlichkeit. Bald schätzt ihn das Cottbuser Ensemble als ausgesprochen kollegialen und fairen Spieler, der stets mit seinen Partnern spielt und keine künstlerischen Experimente scheut.

So beginnt das „Unternehmen Cottbus“ des 1981 im westfälischen Ibbenbüren geborenen Henning Strübbe. In seiner Heimatstadt hat er bereits drei Jahre mit großem Enthusiasmus in einer Amateurtheatergruppe gespielt, bevor er sechs Monate an einer privaten Berliner Schauspielschule studierte – finanziert von seinem Großvater, der an die künstlerischen Ambitionen seines Enkels glaubte. Doch dann hatte sich die Chance ergeben, an die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig zu wechseln. Im Rahmen seines Leipziger Schauspielstudiums war Strübbe zwei Jahre am Studio des Staatsschauspiels Dresden engagiert, bevor er anschließend sein Erstengagement an den Wuppertaler Bühnen absolvierte. Ab 2009 folgte dann ein Engagement am Rheinischen Landestheater Neuss, wo Henning Strübbe in sechs Spielzeiten viele, hauptsächlich große Rollen spielte. Nun aber, ab Herbst 2015, sollte Henning Strübbe seitdem in acht Neuinszenierungen am Staatstheater Cottbus mitwirken:

Szenenfoto mit Henning Strübbe als Marinelli im Trauerspiel „Emilia Galotti“ von Gotthold Ephraim Lessing© Marlies Kross

Szenenfoto mit Henning Strübbe als Marinelli im Trauerspiel „Emilia Galotti“ von Gotthold Ephraim Lessing © Marlies Kross

Als Marinelli in Lessings EMILIA GALOTTI – die Premiere war unter der Regie von Jan Jochymski im April dieses Jahres zu erleben – überzeugt er durch große gedankliche Klarheit, sprachliche Schärfe sowie ein konzentriertes, intensives Spiel. Er spielt den „zweiten Mann“ hinter der Macht, der mit glasklarem Kalkül und zwingender Intelligenz zu manipulieren weiß, der geschickt die Taktiken der Verführung beherrscht und sie mit kaltem Händchen realisiert. Zugleich schenkt Henning Strübbe der Figur Momente, die deren verborgene Sehnsüchte und tiefe Einsamkeit erahnen lassen – ein kleines, verletztes Stückchen Herz dieses durchtriebenen „Intriganten“ wird sichtbar. So macht Henning Strübbe seinen Marinelli zu einer der unvergesslichen Hauptfiguren dieser Inszenierung.

In DRAUSSEN VOR DER TÜR von Wolfgang Borchert brachte Henning Strübbe unter der Regie von Katka Schroth als Teil eines starken 6-köpfigen Männerensembles emotional und intensiv die bisweilen expressionistisch anmutenden Texte des Kriegsheimkehrers Beckmann zu einer plastischen Bildhaftigkeit, die unter die Haut ging. Sein Beckmann war pur, verletzlich, voller Wut und Verzweiflung – getrieben von traumatischen Bildern und einer Verlorenheit in der Welt, die sich Raum nahm, die durch den Schauspieler körperlichen und gedanklichen Ausdruck fand.

In Catharina Fillers Inszenierung VERBRENNUNGEN, ein Stück des frankokanadischen Dramatikers Wajdi Mouawad, verleiht Henning Strübbe gleich mehreren Figuren eine eindrückliche Gestalt: Schockierend und zugleich eindrucksvoll gerät besonders sein Nihad, der „verlorene Sohn“, den seine verzweifelte Mutter jahrelang erfolglos sucht, der in einer von blutigen Kriegen geschüttelten Region auf sich selbst gestellt überleben lernen musste. Dieser junge Mann entwickelt sich vom Kriegswaisen zum exaltierten Teenager und einem dem Wahnsinn verfallenen Scharfschützen – am Ende ist er ein zynischer Kriegsverbrecher, der unwissend der eigenen Mutter Gewalt antut.

In HAMLET fühlte sich Henning Strübbes Laertes zu dessen Freund – einem gewissen Hamlet – hingezogen: Sensibel und niemals denunzierend zeichnete Strübbe die homoerotischen Neigungen dieser Figur. Dass Laertes schließlich trotz subtilen Widerstands von den Mächtigen für deren Zwecke missbraucht wurde, war eine besondere Tragik dieser Gestalt. Energetisch, aggressiv, mit vollem körperlichen Einsatz (im finalen Fechtkampf) gab Strübbes Laertes schließlich seiner Wut und seinem Hass Raum – um am Ende trotzdem zu sterben.

Szenenfotos mit Henning Strübbe als Fritz Gerlach im Schwank „Die spanische Fliege“ von Franz Arnold und Ernst Bach © Marlies Kross

Szenenfotos mit Henning Strübbe als Fritz Gerlach im Schwank „Die spanische Fliege“ von Franz Arnold und Ernst Bach © Marlies Kross

In MAMMA MEDEA, einer modernen Version des antiken Medea-Stoffes des belgischen Dramatikers Tom Lanoye, nimmt Henning Strübbe als Medeas Bruder Apsyrtos zuerst mit schweigender, aber genau geführter Präsenz am dramatischen Geschehen teil, um dann in einer berührenden, sich konfliktreich zuspitzenden Begegnung durch Medeas Geliebten Jason getötet zu werden.

Es ist eine beachtliche und spannende Entwicklung, die der Schauspieler Henning Strübbe am Staatstheater Cottbus bisher genommen hat. Sein Talent, sein Einsatz, sein Engagement und seine Kollegialität sollen eine Würdigung durch den Max- Grünebaum-Preis erfahren und Ansporn sein, weiterhin künstlerisch-suchend auf die Reise zu gehen, um das Mysterium Mensch mit all seinen Tiefen weiter zu ergründen.

Herzlichen Glückwunsch zum diesjährigen Max-Grünebaum-Preis – Henning Strübbe!

Laudatio von Sophia Lungwitz,
Dramaturgin am Staatstheater Cottbus

 

Andreas Jäpel, Sänger am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross

Andreas Jäpel, Sänger am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross

Andreas Jäpel

Max-Grünebaum-Preisträger 2017

„Der Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt Einem, wenn man hinunterschaut“.

Dieses schockierende und zugleich schonungslos sezierende Zitat lässt der Arzt und Dichter Georg Büchner seinen Titelhelden Woyzeck in seinem gleichnamigen Drama just in dem Augenblick aussprechen, als dieser sich von seinen Mitmenschen in die Enge getrieben sieht und spürt, zum Opfer zu werden. Dagegen will er sich zur Wehr setzen – gehetzt zwischen zwei Jobs, da einer nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt seiner kleinen Familie zu sichern, getrieben auch, seinen Beitrag zur Veränderung seiner Lage zu bewerkstelligen, wendet Woyzeck sich tragischerweise gegen seine Marie, um ihr untreues Herz gegen ein neues auszutauschen, um sie so wieder für sich gewinnen zu können. Aber dieses Experiment gelingt nicht: Er muss feststellen, dass der Mensch seelisch auf diese Art nicht zu reparieren ist. So bringt er Marie einfach nur um und ist damit nicht nur Opfer, sondern auch Täter zugleich.

Alban Berg hat um 1920 Büchners sozialkritisches Drama in Musik gesetzt und damit eines der Gipfelwerke in der gesamten Opernliteratur geschaffen, das zum Besten – aber auch Schwersten – der gesamten Gattung Oper zählt. Insbesondere die Titelpartie des Wozzeck erfordert einen Sänger – einen sogenannten Heldenbariton – der über vielfältige stimmliche Register verfügen muss, um den enormen musikalischen Anforderungen gerecht zu werden. Aber um den Erfordernissen dieses nach wie vor modernen und vielschichtigen Dramas beizukommen, bedarf es neben der stimmlichen Höchstforderung auch darstellerischer Brillanz.

Szenenfoto mit Andreas Jäpel als Wozzeck in Alban Bergs gleichnamiger Oper (hier mit Reik Wolke als Mariens Knabe) © Marlies Kross

Szenenfoto mit Andreas Jäpel als Wozzeck in Alban Bergs gleichnamiger Oper (hier mit Reik Wolke als Mariens Knabe) © Marlies Kross

Und genau diese Symbiose verkörpert unser heutiger Max-Grünebaum-Preisträger 2017 in der Inszenierung der Oper „Wozzeck“ am Staatstheater Cottbus in beeindruckender Weise.

Spätestens jetzt wissen die meisten, von wem die Rede ist: Es ist der Sänger Andreas Jäpel!

Seit 1999 gehört Andreas Jäpel zum Solistenensemble der Sparte Oper und hat bis zum heutigen Tag insgesamt stolze 64 Rollen im Bariton-Fach auf unserer Bühne verkörpert. Die Karriere begann jedoch für den 1968 in Dresden geborenen viel, viel früher in den Reihen des Dresdner Kreuzchors, wo er das Glück hatte, sich 1. zum Sopran-Knabensolisten zu mausern und 2. in dieser Zeit auch erste Opernerfahrungen auf der berühmten Bühne der Dresdner Staatsoper zu sammeln. Denn: Er konnte den Zweiten Knaben in Harry Kupfers legendärer „Zauberflöten“-Inszenierung singen und spielen – die drei Knaben als heutige freche Lümmel, die sich schon während der Ouvertüre im faszinierenden Bühnenbild, welches die Ruine der Semperoper darstellte, tummeln. Sie war deshalb legendär und herausragend, da genau in jenen Jahren der Wiederaufbau der zerstörten Semperoper beschlossen wurde – man spielte noch im heutigen Schauspielhaus interimsmäßig Oper – und die humanistische Botschaft der „Zauberflöte“ in dem Kontext der sinnlosen Zerstörung Dresdens 1945 besonders unter die Haut ging. Bei einer der Vorstellungen ereignete sich folgende Anekdote:

Andreas Jäpel musste als Zweiter Knabe dem Papageno mit den Worten „Wollt ihr die Speisen nicht verschmähen“ das Essen bringen. In dem Körbchen befanden sich zu jeder Vorstellung ein Apfel und ein knusprig gebratener Hühnchen-Schenkel. Einmal hatten die drei Knaben einen derartigen Hunger aus der Kreuzschule mitgebracht, dass sie dem Hühnchen-Schenkel nicht länger widerstehen konnten. Während sie auf ihren Auftritt warteten, fingen sie an, langsam die knusprige Haut abzuziehen. Später rupften sie kleine Fleischstücke aus dem Hühnerbein, bis schließlich nur noch der nackte Knochen übriggeblieben war. Als dann Papageno mit offensichtlich ebenso großem Appetit das Tuch vom Korb zog und darin nur den Apfel und den abgenagten Hühnerknochen fand, hat er ein Gesicht gemacht, dass die Knaben vor Lachen kaum weitersingen konnten. Der Dirigent Siegfried Kurz meinte aber danach, es wäre diesmal eine der besten Vorstellungen gewesen!

Szenenfoto mit Andreas Jäpel als Wozzeck in Alban Bergs gleichnamiger Oper © Marlies Kross

Szenenfoto mit Andreas Jäpel als Wozzeck in Alban Bergs gleichnamiger Oper © Marlies Kross

Nach dem Abitur und dem damit verbundenen Ausscheiden aus dem Chor zog es Andreas Jäpel für drei Monate zum Studium der Mineralogie an die Freiberger Bergakademie, wo er sich jedoch vom dortigen Universitäts-Chorleiter zum Gesangsstudium überreden ließ, welches er dann an der Dresdner Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ bei Frau Prof. Christiane Junghanns erfolgreich absolvierte.

Sein erstes Engagement trat er am Mitteldeutschen Landestheater in Lutherstadt-Wittenberg an, einem Theater, welches es heute nicht mehr gibt – was aber wohl nicht an ihm lag.

Von dem damaligen Oberspielleiter Markus Schuliers, der zuvor einige Jahre mein Regieassistent und Leiter beziehungsweise sogar Begründer unseres Kinder- und Jugendchores war, erhielt ich einen Anruf, dass er einen jungen, spielerisch äußerst begabten Baritonisten im Engagement hätte, der einen Karrieresprung brauche und aus seiner Sicht bestens ins Cottbuser Ensemble passen würde. Also lud ich Andreas Jäpel zu einem Vorsingen ein und da er genau das einlöste auf der Bühne, was Markus Schuliers angekündigt hatte, engagierten wir ihn als Bariton.

Heute singt Andreas Jäpel alle Rollen des großen schweren Heldenbariton-Fachs, damals begann er aber als Lyrischer Bariton und sang mit leichter und beweglicher Stimme Partien wie u.a. den Figaro in Rossinis „Barbier von Sevilla“, Papageno, Ottokar im „Freischütz“, Fürst Yamadori in „Madama Butterfly“, den Ersten Burschen in Carl Orffs „Der Mond“, Cesare Angelotti in „Tosca“ – bis er schließlich Rollen des Kavalier-Baritonfachs singen konnte: Eugen Onegin, Silvio in „Der Bajazzo“, Marcello in „La Bohème“, Amonasro in „Aida“, Gunther in der „Götterdämmerung“, Graf Danilo in der „Lustigen Witwe“.

Nicht jede Sängerkarriere verläuft geradlinig und aalglatt, unkompliziert und bruchlos. In jener Zeit haderte Andreas Jäpel mit sich und dem Theater, wir mit ihm – so dass eine nicht unkomplizierte Periode anbrach, die das gegenseitige Vertrauen auf eine harte Probe stellte. Nach einem ernsthaften Gespräch in meinem Büro, in welchem die Weichen für den zukünftigen Einsatz gestellt wurden, hielt Andreas Jäpel ein beeindruckendes, verbales Plädoyer und die folgende dritte Periode – die des sich anbahnenden Heldenbaritons – nahm ihren glücklichen Anfang. Der Luna im „Troubadour“ von Giuseppe Verdi wurde dann zum endgültigen Durchbruch – seine Stimme öffnete sich und das Vertrauen kehrte zurück: Welch‘ ein Glück!

Szenenfoto aus dem Musical „Sugar (Manche mögen’s heiß) mit Andreas Jäpel als Sir Osgood Fielding © Marlies Kross

Szenenfoto aus dem Musical „Sugar (Manche mögen’s heiß) mit Andreas Jäpel als Sir Osgood Fielding © Marlies Kross

Seither beeindruckt Andreas Jäpel in allen Partien, sowohl stimmlich – als auch darstellerisch sowieso – und ist für jeden Regisseur ein idealer „Sänger-Darsteller“-Partner: Alberich in „Siegfried“, ein abgründiger, fieser Polizeichef Scarpia in „Tosca“, Orest in „Elektra“, Marquis Posa in „Don Carlos“, Lindorf, Coppelius, Mirakel und Dapertutto in Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ und natürlich Peer Gynt in Werner Egks Oper „Peer Gynt“, welche ich ohne Andreas Jäpel nie in den Spielplan genommen hätte. Diese Oper steht und fällt ähnlich wie „Wozzeck“ mit der vielseitigen, die Figuren bis in die Tiefe auslotenden Abgründigkeit der Ausdruckskala, über die Andreas Jäpel souverän verfügt.

Darüber hinaus gelingen ihm ebenso Musical-Rollen glänzend: Ich erinnere an „Jekyll & Hyde“, wo er den Freund von Jekyll, John Utterson, verkörperte – oder gerade eben mit umwerfender Komik den uralten Sir Osgood Fielding in „Sugar (Manche mögen‘s heiß)“.

Ich freue mich und gratuliere Dir, lieber Andreas, heute – nach langem Warten – zum Max-Grünebaum-Preis 2017 und freue mich auf Leporello und Macbeth in dieser Spielzeit.

Herzlichen Glückwunsch!

Laudatio von Martin Schüler,
Intendant des Staatstheaters Cottbus und Vorstandsmitglied der Brandenburgischen Kulturstiftung Cottbus-Frankfurt (Oder)

 

 

Sebastian Thoss, Tontechniker am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross

Sebastian Thoss, Tontechniker am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross

Sebastian Thoss

Karl-Newman-Förderpreisträger 2017

Lieber Sebastian Thoss,

Sie sind einer der besten Tontechniker, die ich in meinem schon recht langen Theaterleben kennengelernt habe. Insofern trifft Sie die Preisentscheidung des Kuratoriums der Max-Grünebaum-Stiftung – aus Ihrer Sicht vielleicht überraschend, aus unserer aber Sicht folgerichtig – völlig zu Recht.

Als wir beide uns kürzlich zur Vorbereitung der heutigen Preisverleihung trafen, fragte ich Sie, was „Tontechnik“ eigentlich ist. Sie antworteten mit einer Drei-Wort-Definition: „Sachen lauter machen“. Und ich dachte: Da kommt Ihre Vergangenheit als Rockmusiker durch. Im weiteren Gespräch kam aber dann die Ausdifferenzierung:

Tontechnisch arbeiten, heißt für Sie: Kunst verstehen und mit den Mitteln der Technik darauf antworten. Die Kunst durchdringen und ihre Anforderungen an die Technik aufnehmen. Heißt: künstlerische Ideen technisch begleiten und praktisch verwirklichen.

Und konkret bedeutet das: Klangsignale abnehmen, verstärken, abmischen (die höchste Kunst!), schließlich aufzeichnen und speichern. Es heißt, Signale bzw. Aufnahmen im Nachgang bearbeiten, umwandeln, zur Veröffentlichungsreife nachbearbeiten, vervielfältigen, nicht zuletzt: Geräusche erfinden, Geräuschtracks produzieren, und sie – wie die Bühnenmusik auch – im Ablauf der Vorstellungen mit aller Sensibilität für das jeden Abend sich anders vollziehende Geschehen einspielen.

Tontechnik ist künstlerische Arbeit. Und damit diesbezüglich keine Missverständnisse entstehen, sagt das auch der Abgrenzungskatalog unserer Tarifverträge. Das Theater darf Sie als Künstler engagieren.

Wie wird man Tontechniker? In Ihrem Fall, lieber Herr Thoss, stand am Anfang der absolute Wille zur Musik. Die ersten Sätze Ihrer Autobiographie werden lauten: „Als ich drei Jahre alt war, rannte ich – auf dem Tennisschläger Gitarre spielend – über den Hof meiner Großeltern und nervte meine Eltern so lang, bis sie mich zum Gitarrenunterricht am Konservatorium anmeldeten. Ich spielte jedoch noch vier Jahre lang Luftgitarre, bis es endlich tatsächlich so weit war. Und weil die DDR noch existierte, wenn sie auch schon in den letzten Zügen lag, war meine erste Gitarre aufgrund der Versorgungslage für Gebrauchsgüter des musikalischen Alltags keine Kinder- sondern eine Drei-Viertel-Gitarre und damit doppelt so groß wie ich. Mist.“

Abgeschreckt hat Sie das nicht, so dass ihre Vita verzeichnet: 1987 bis 1994 Ausbildung zur klassischen Gitarre am Konservatorium Cottbus – und ich ergänze, einem der besten Konservatorien im Land.

Siebe Jahre nach dem Ende der DDR gründeten Sie Ihre erste Schülerband – und traten zugleich einem kleinen Jugendchor bei.

1999 gründete sich die Band No Apathy – in klassischer Besetzung mit Gitarre/Vocals, Bass und Drums – und Sie spielten die Gitarre und sangen. Über die Arbeit mit der Band kam es zu ersten Kontakten mit der Tontechnik: Die Band gewann in einem Bandwettbewerb einen Studio Preis, d.h. Sie konnten in einem professionellen Studio Tonaufnahmen machen, mit denen Sie Demos oder eine CD hätten herstellen können. Das hat Sie offensichtlich fasziniert.

Sebastian Thoss, Tontechniker am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross

Sebastian Thoss, Tontechniker am Staatstheater Cottbus © Marlies Kross

Dann kam der erste Zufallsjob am Mischpult im Konzertbetrieb des Glad House. In ihrer Autobiographie wird es heißen: „Die Band beschwerte sich nicht, und ich bekam meine ersten grauen Haare.“ (Aus meiner Sicht ein doppeltes Erfolgserlebnis.)

Nach Abi und Zivildienst machten Sie Jobs als freier Tontechniker und finanzierten sich damit die Ausbildung an der Academy of Music Hamburg, um nach Ihrem Abschluss als freiberuflicher Gitarrenlehrer und Tontechniker zu arbeiten. Die Arbeit als Gitarrenlehrer – vor allem im Gruppenunterricht – haben Sie als Schulung in Menschenkenntnis und Konfliktmoderation wahrgenommen, angenommen und davon bis heute im Umgang mit uns im Theater profitiert.

2007 gründeten Sie die Firma schoen+thoss, mit der Sie Konzerte und alle Arten von Groß­ver­anstaltungen technisch produzierten und durchführten. Mit dem Erfolg der Firma wurden die Produktionen größer, die Wege weiter. Sie übernahmen Aufgaben bei der WM in Kapstadt, mischten Übertragungen für das Schweizer Sportfernsehen ab – und dazwischen immer wieder Festivals und Konzerte von Free Jazz über Rockmusik und Punk bis hin zu klassischen Orchesterkonzerten – letzteres sicher die Reifeprüfung für Tontechniker. Jedenfalls gehörte zu Ihrem Portfolio das ganze breite Spektrum. Und zu Ihren Auftraggebern bzw. den Künstlern, mit denen Sie arbeiteten, neben vielen anderen die Beatsteaks, Jennifer Rostock, Sandow, Phillip Boa, Culcha Candela, Peter Brötzmann und Uli Roth (Gitarrist der Scorpions). Das ist die große Welt.

Und dann kommt die wunderbar sympathische Entscheidung, nicht immer den nächstgrößeren Job in der noch größeren Ferne zu suchen, sondern für die Familie da zu sein, für die beiden Kinder – 2010 und 2012 geboren. Das hieß: mehr Zeit in Cottbus. Was auch ermöglichte, dass Sie 2010 erstmals für das Staatstheater Cottbus arbeiteten und anlässlich der Barbarafeier in der Stadthalle das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Marc Niemann am Tonpult abmischten.

2012 folgten unsere „Carmina Burana“ in Spremberg und die „Spreewälder Sagennacht“ in Burg.

Weil das alles so gut funktionierte, engagierte Sie unsere Technik 2013 als Krankheitsvertretung. Schon nach kurzer Zeit war klar: Diesen Mann wollen wir halten; die nächste freie Stelle im Ton gehört ihm! Und so ist es gekommen: Weil Sie völlig unfähig sind, oberflächlich zu arbeiten, und weil Sie eine unglaublich gute Art haben, auf Menschen zuzugehen, weil Sie unsere Künstler ernst nehmen, ihre Sorgen und Wünsche hören, weil Sie sie mit Achtung und Freundlichkeit “behandeln”, sind Sie seit Herbst 2015 mit einer festen Stelle in der Tonabteilung des Staatstheaters unter der Leitung von Ulrich Salzbrenner fest engagiert.

Wir schätzen Ihre Arbeit – Ihren künstlerischen Input wie Ihre technischen Ansätze für die Reali­sierung unserer vielfältigen Produktionen im Schauspiel, in der Oper, im Konzertbereich mit unse­rem Philharmonischen Orchester. Sie sind in einer Schlüsselfunktion mit verantwortlich für den Erfolg unserer Musicals SONNENALLEE  und SUGAR, unserer Open-Air-Oper FIDELIO, der Oper MAHAGONNY hier im Großen Haus oder der musikalischen Räuberpistole WIRTSHAUS IM SPESSART, die gerade ständig ausverkauft in der Theaterscheune Ströbitz läuft.

Wir schätzen die Zusammenarbeit mit Ihnen, weil Sie der seltene Fall einer wirklich ausgegli­che­nen Persönlichkeit sind, Ausstrahlung mit Verantwortungsbewusstsein und Engagement verbinden. Und in beispielhafter Weise Beruf und Familie miteinander vereinbaren, so dass man Sie auch einmal bei einem Open Air Konzert wie etwa anlässlich unserer letzten Spielplanpräsentation in Branitz am Mischpult ganz selbstverständlich in Begleitung Ihrer Kinder antrifft. Anlässlich einer solchen Begegnung sagte meine Frau – und sie hat mir erlaubt das hier zu zitieren: „Der strahlt immer so schön.“ // Ja. Von innen heraus.

Lieber Herr Thoss, der Preis, der verbunden ist mit einem einwöchigen Studienaufenthalt in London, kommt für Sie zur rechten Zeit. Sie haben viele neue Erfahrungen im Theater gemacht. Sie haben ein sehr hohes Niveau künstlerisch-technischen Könnens erreicht. Die Begegnung mit inter­natio­nalen Theaterkünstlern, der Kontakt zu Kollegen im Ton, der Einblick in modernste Technik wird Ihnen neue Impulse geben. Und verhindern, dass Sie hier am Staatstheater eine allzu lange Plateauerfahrung machen. Das Theater in Cottbus wird von dem profitieren, was sie aus England zurückbringen.

Und jetzt: Lassen Sie sich angemessen feiern. Denn: Diese Auszeichnung kommt nicht nur zur rechten Zeit, sie ist auch gänzlich Ihre.

Laudatio von Dr. Martin Roeder,
Geschäftsführender Direktor des Staatstheaters Cottbus und Vorstandsvorsitzender der Brandenburgischen Kulturstiftung Cottbus-Frankfurt (Oder)

 

Preisträger der BTU Cottbus–Senftenberg

Der mit 5.000 Euro dotierte Max-Grünebaum-Preis 2017 wurde an Dr.- Ing. Lukasz Lopacinski von der BTU Cottbus–Senftenberg für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen verliehen. Den Ernst-Frank-Förderpreis der BTU Cottbus–Senftenberg erhielt in diesem Jahr Caroline Krebs.

 

Dr. -Ing. Lukasz Lopacinski

Lukasz Lopacinski

Max-Grünebaum-Preisträger 2017

Lukasz Lopacinski schrieb seine mit dem Prädikat „summa cum laude“ bewertete Doktorarbeit zum Thema „Verbesserung des Durchsatzes und der Zuverlässigkeit von drahtlosen Ultrahochgeschwindigkeitskommunikationen auf data link layer Ebene“ am Fachgebiet Systeme von Prof. Dr.- Ing. Rolf Kraemer. Die Dissertation entstand im Rahmen des Teilprojekts „End-2-End100“ im DFG-Schwerpunktprogramm „Wireless 100 Gb/s and beyond“. Sie adressiert Verfahren für den Fehlerschutz von drahtlosen Kommunikationsverbindungen mit Datenraten von über 100 Gigabyte pro Sekunde. Dass drahtlose Kommunikation bei extrem hohen Datenraten bisher nicht möglich war, liegt unter anderem an den sehr hohen Fehlerraten, die durch den Übertragungskanal verursacht werden. Lopacinski hat im Zuge seiner Arbeit ein System zur effizienten Fehlerkorrektur entworfen, dass nicht nur prinzipiell funktioniert, sondern hinsichtlich der Integrierbarkeit und Energieeffizienz für zukünftige Chip-Generationen hervorragend geeignet ist. Damit hat er bisherige Referenz-Ergebnisse anderer Forschergruppen signifikant verbessern können. Die Ergebnisse konnte er nicht nur mittels Simulationen, sondern auch durch die Realisierung seines Konzepts nachweisen. Während seiner dreijährigen Dissertationsphase verfasste Lopacinski als Erstautor zwei Journalbeiträge und neun „peer reviewed“ Konferenzbeiträge. Zudem wurde er mit dem „Young Engineering Award“ der Information Security Solutions Europe Conference ausgezeichnet. Mit gerade einmal 31 Jahren hat Lukasz Lopacinski bereits vier Jahre Erfahrung in der Industrie sowie eine herausragende Doktorarbeit vorzuweisen. Über seine eigene Arbeit hinaus unterstützte er seine Kollegen bei deren Forschungsfragen, insbesondere auch bei praktischen Problemen.

 

 

Caroline Krebs

Ernst-Frank-Förderpreisträger 2017

Der Ernst-Frank-Förderpreis der BTU Cottbus–Senftenberg geht in diesem Jahr an Caroline Krebs. Die Studentin im Master-Studien-gang Betriebswirtschaftslehre konnte mit überdurchschnittlichen akademischen  Leistungen und einer starken internationalen Orientierung überzeugen. Bereits während ihres Bachelor-Studiums in International Business Studies an der Universität Erlangen-Nürnberg verbrachte sie zwei Semester an der ESC Clermont Graduate School of Management in Clermont-Ferrand, Frankreich. Aktuell befindet sich Caroline Krebs für ein Auslandsstudium an der University of the West of Scotland in Hamilton. Ihr ehrenamtliches Engagement als Mitglied und Sprecherin der Studentengemeinde Cottbus, Willkommens-Lotsin der Stadt Hanau, sowie als Gruppenleiterin bei der Katholischen Jugend Kahl spiegelt ihren Einsatz für die Gesellschaft wider. Bereits während ihres Studiums konnte Caroline Krebs außerdem einen außergewöhnlich breiten beruflichen Erfahrungsschatz sammeln. In Nebenjobs und Praktika von der Unternehmenskommunikation bis hin zum Einzelhandel konnte sie ihr Wissen aus dem Studium anwenden und die Erfahrungen aus der Berufswelt mit Studieninhalten verknüpfen.