Preisträger 2014
Die Max Grünebaum-Stiftung würdigte am Sonntag, 26. Oktober 2014, in Cottbus Künstler des Staatstheaters Cottbus mit einem Max-Grünebaum-Preis und einem Förderpreis. Zwei Max-Grünebaum-Preise sowie einen Förderpreis erhielten Nachwuchswissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU Cottbus-Senftenberg)
Diesjähriger Max-Grünebaum-Preisträger des Staatstheaters Cottbus ist der Tänzer Stefan Kulhawec. Den Karl-Newman-Förderpreis erhielt die Solorepetitorin Bo-Kyoung Kim.
Die Max Grünebaum-Stiftung verlieh der BTU Cottbus-Senftenberg drei Auszeichnungen. Der Max-Grünebaum-Preis 2014 ging an die beiden hervorragenden Nachwuchswissenschaftler Dr. rer. nat. Antje Mugler und Dr. rer. nat. Matthias Hermann Richter.
Der Ernst-Frank-Förderpreis wurde an Nicolai Förter verliehen.
Der Max-Grünebaum-Preis, der in diesem Jahr zum 18. Mal vergeben wurde, ist mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Die Förderpreisträgerin des Staatstheaters erhielt eine Theaterreise nach London, der BTU-Förderpreisträger Unterstützung für ein Auslandssemester.
Die Preisverleihung fand im Rahmen eines öffentlichen Festaktes im Großen Haus des Staatstheaters Cottbus im Beisein der Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburgs Dr. Martina Münch und des designierten Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus Holger Kelch statt. Ein Grußwort hielt in diesem Jahr Peter Littger, Journalist und Vorsitzender der König Edward VII. British-German Foundation.
Die Preisträger des Theaters von 2013, die Tänzerin Denise Ruddock, die Sopranistin Debra Stanley und die 1. Konzertmeisterin des Philharmonischen Orchesters Elena Soltan präsentierten sich mit künstlerischen Arbeiten. Das Philharmonische Orchester umrahmte die festliche Preisverleihung mit Musik von Igor Strawinski.
Stefan Kulhawec
Max-Grünebaum-Preis
Sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst eine kleine Anekdote, um unseren Preisträger zu charakterisieren. Stefan Kulhawec war eingeladen zum Vertragsgespräch beim Intendanten und bis zum Termin waren noch 30 Minuten Zeit. In dieser Zeit haben wir uns ein paar DVDs vom Repertoire des Balletts angeschaut. In einem Stück hat einer der Tänzer einen Salto rückwärts gemacht. Eigentlich nur aus Spaß hab‘ ich Stefan gefragt, ob er das auch kann. Da sagte er: „Ja, na klar!“ Da hab ich gesagt: „Das will ich sehen!“ Daraufhin hat er kurzum seine Schuhe ausgezogen und „aus dem Kalten heraus“ in Straßenklamotten einen Salto rückwärts gemacht. Da hab ich festgestellt: „Der ist verrückt, der passt zu uns.“
Unser Preisträger wurde 1992 in Melbourne geboren. Schon als Kind erhielt er Unterricht in ukrainischem Volkstanz. Es schloss sich eine sechsjährige professionelle Ausbildung an der Australian Ballet School an.
Prägender Lehrer war für ihn dort Dale Baker in den Fächern Klassischer Tanz und Pas de deux. Stefan beendete sein Studium 2011. Und da von zwanzig Absolventen aus Melbourne vielleicht zwei einen Job in Australien bekommen, packte er seinen Koffer und kaufte sich ein Ticket nach Deutschland. Mit einem Touristenvisum in der Hand hatte unser Preisträger nun drei Monate Zeit, sich einen Job in Deutschland oder Europa zu suchen. Und er hat einen Job gefunden …
Zuerst als Gast am Theater Dortmund und seit 2012 bei uns am Staatstheater Cottbus. Einem fulminanten Start als Romeo in „Romeo und Julia“ folgten spannende Partien in „Harlekin“, „Songs For Swinging Lovers“, „Berührungen. Eine Balkan-Rhapsodie“, „Le Sacre du Printemps. Frühlingsweihe“, „Pieces of Nyman & Purcell Pieces“ und „Frida Kahlo“.
Stilistische Wandlungsfähigkeit, gutes Partnering und eine Prise Akrobatik zeichnen unseren Preisträger seit seinem ersten Arbeitstag bei uns aus.
Lieber Stefan, behalte Deine Neugier und Deine Offenheit im Leben und in der Arbeit.
Laudatio von Dirk Neumann, Leiter des Ballettensembles
Bo-Kyoung Kim
Karl-Newman-Förderpreis
Der Karl-Newman-Förderpreis 2014, benannt und gestiftet vom Enkel von Max Grünebaum, dem unvergessenen Hauptinitiator der Max-Grünebaum- Stiftung, wird an eine Künstlerin verliehen, die die wohl geheimnisvollste Berufsbezeichnung trägt und die ihre künstlerische Tätigkeit nicht im direkten Publikumskontakt ausübt, sondern größtenteils im Vorfeld einer Auführung aktiv sein muss – soll es zu einer gut einstudierten, einwandfrei ablaufenden Opernvorstellung auf der Bühne kommen. Die Rede ist von einer Korrepetitorin. Wer des Lateinischen mächtig ist, kann sich jetzt vage etwas herleiten – wer gar zu den „Eingeweihten“ des Theaters zählt, weiß, was ein Korrepetitor im Dienst für eine Funktion inne hat. Da aber sicher einige weder zu den Erstgenannten noch zu den Zweitgenannten gehören, möchte ich meine diesjährige Laudatio damit beginnen, diese Berufsbezeichnung – auch zu meinem eigenen Vergnügen – etwas ausführlicher zu erläutern.
Wie bereits erwähnt, leitet sich der Wortstamm aus dem Lateinischen ab und so wird man fündig im sogenannten „Taschen-Heinichen“. Das ist ein Wörterbuch, Lateinisch-Deutsch – angeblich für die Tasche – also ein „Taschenwörterbuch zu den klassischen und ausgewählten spät- und mittellateinischen Autoren – aufgrund des Schulwörterbuchs von F. A. Heinichen“ – so der vollständige Untertitel. Weil heute so viele Akademiker, Professoren und mehrfache Doktoren anwesend sind, erwähne ich auch aus aktuellem Anlass noch die vollständige Quelle: 10. unveränderte Auflage, Leipzig 1980 erschienen im VEB Verlag Enzyklopädie Leipzig, gedruckt im Karl-Marx- Werk, Grafscher Großbetrieb, Pößneck.
Googelt man unter F. A. Heinichen, um herauszufnden, wer dieser Autor war, so fndet man Folgendes: Friedrich Adolph Heinichen: Doktor der Philosophie und Lizentiat der Theologie, Gymnasialprorektor a. D. und Professor zu Leipzig. Also, den „Taschen-Heinichen“ aufgeschlagen und nachgeschaut unter dem Wortstamm fndet man sogleich: repetitor, m = masculin generis – Zurück-Forderer – ähm, trift nicht so richtig die eigentliche Tätigkeit. Etwas weiter oben ein ähnlicher Wortstamm: repetitio, f = femini genesis – Wiederholung, Rückforderung – ah schon eher: „Wiederholung“ macht Sinn, auch das f macht Sinn: handelt es sich bei der heute zu Ehrenden um eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts. Oder repetentia – Rückerinnerung – macht auch Sinn. Oder reperentio – Zurückstoßen, Gegendruck – Erstaunen – könnte Sinn machen?! Vielleicht auch repenso – aufwiegeln, vergelten – Überlegen – mitunter möglich. repentinus – unvermutet, plötzlich neu, frisch (aus dem Stegreif) – manchmal wünschenswert, aber eher nicht.
Oder gar repo – kriechen – ich hofe: weniger. Aber was bedeutet die 1. Silbe co-? Logisch: mit. Zusammengesetzt: Ko-repetitio heißt also: Mit-Wiederholer/Mit-Wiederholerin.
Aber es wird mit Doppel-r geschrieben: Kor-repetitor. Schnell nachschlagen bei cor: cor = Herz, Verstand, Gemüt. cordi esse – am Herzen liegen, lieb und wert sein → im m.l. ex corde also im Marxismus- Leninismus heißt das „von Herzen“, ach nein mittellateinisch.
Also halten wir den Zwischenstand fest: Von Herzen (oder mit Verstand) wiederholen könnte passen: Zur Sicherheit noch schnell einen Blick in das Internet-Wörterbuch der normal-sterblichen modernen Nutzer: In das Wiki-Wörterbuch mit dem schönen Namen „Wiktionary“ (Das freie Wörterbuch) –Ein Wiki-basiertes Wörterbuch! Da liest man unter Herkunft: Ableitung vom Stamm des Verbs: Korrepetieren mit den Derivatemen (Ableitungsmorphemen) –ti und r Korrepetitor. Ableitungsmorpheme sind Wortbildungsafxe.
Ein Afx bedeutet lat. von afgo = anheften und bedeutet in der Linguistik ein gebundenes Morphem, das keine lexikalische, sondern nur eine grammatikalische Bedeutung hat. Afxe dienen vor allem zur Wortbildung und zur Flexion, von lat. fectere = Beugung, Biegung. Flexion bezeichnet in der Grammatik die Änderung der Gestalt eines Wortes zum Ausdruck seiner grammatischen Merkmale bzw. der grammatischen Funktion im Satz. Die Markierungen für Flexion bestehen oft in angehängten Endungen, sogenannten Afxen – da wären wir wieder beim Ausgang.
Also ist ein Korrepetitor ein Mit-Wiederholer, der die Oper/Operette am Klavier einstudiert, ein Mithelfer des Kapellmeisters, der die Musik am Klavier solange wiederholt, bis alle Sänger ihre Partien auswendig vortragen können. Man kann es auch anders – schneller – hemdsärmelig übersetzen: liebevoll wird der Korrepetitor am Theater als „Klavierknecht“ bezeichnet. Er/Sie ist der „Alleskönner“ und der heimliche/ die heimliche Heldin der Oper. Zum Beispiel dann, wenn die Orchester streiken, zum Beispiel wie jüngst in Rom (FAZ von gestern), schlägt ihre Stunde.
Zum Korrepetitor wird jemand geboren oder berufen, doch muss jeder dieser namenlosen Helden eine multiple Befähigung mitbringen: Meist hat sie Klavier oder Dirigieren studiert, liebt die menschliche Stimme, kennt sich in Fremdsprachen und Stilen aus, besitzt ein verfeinertes Gehör und kann profunde Ratschläge geben. Sie ist Mädchen für alles und Coach in einem, hat einen großen Stapel Opern drauf und ist sich für die Zuarbeit für den direkten Publikumserfolg anderer nicht zu schade. Mit der Zeit lernt sie die Kunst des Weglassens … denn manchmal müsste sie 15 Finger und Hände haben, um während der Proben das ganze Orchester klanggewaltig zu ersetzen. Korrepetitoren sind großartige Musiker, Lotse, Trampolin, Wolldecke, Psychiater und künstlerisches Gehirn in einem … und ein guter Freund, dem sich ein Sänger mit seinen Nöten bedingungslos anvertrauen kann. Mancher Sänger seufzt nach der Premiere wehmütig: So schön wie in den Proben war es hinterher nie mehr.
Das Staatstheater Cottbus verfügt über insgesamt vier solcher „guten Geister“, die Lady unter ihnen – die Jüngste – wurde 1983 in Südkorea, in Seoul, geboren – wuchs in einer sangesfreudigen Familie auf. Der Vater Bankangestellter, die Mutter Hausfrau. Mit sieben Jahren, auf eigenen Wunsch, begann sie mit dem Klavierunterricht – mit zehn Jahren erfolgte ein sehr entscheidender Lehrerwechsel zu Frau Hong, die sie mit viel Liebe und Leidenschaft unterrichtete, so dass unsere Preisträgerin ab diesem Zeitpunkt freiwillig feißig übte, schlich sich doch davor – wie sie selbst sagte – eine Phase der Faulheit ein. Ohne Druck und mit Genuss musizieren: Das war die entscheidende pädagogische Methode, die Bo-Kyoung Kim veranlasste, nie wieder mit dem Klavierspielen aufzuhören.
In diese Zeit bis zum Gymnasium felen viele Auftritte in Konzerten und auf der Bühne – wichtige Termine, um das lästige Lampenfeber peu à peu abzuschütteln. was auch gelang, denn seit dieser Zeit ist Frau Kim diesen leistungshemmenden Übeltäter los. In der Zeit des Gymnasiums mit musikalischen Schwerpunkten in Daejeon (200 km von Seoul entfernt) erhielt sie Unterricht bei ihrer 3. Klavierlehrerin – von ihr bekam sie die Empfehlung, doch in Deutschland Musik zu studieren, da ihr Sohn dies bereits in Berlin mit Erfolg tat. So ging Frau Kim nach dem Abitur 2003 zum Studium nach Detmold, zunächst im Hauptfach Musikpädagogik, doch mehr und mehr hatte sie Spaß bei der pianistischen Begleitung von Sängern, das Interesse für das nur Pianistische verblasste und ein Wechsel zur Ausbildung als Musiktheater-Repetitorin nach Dresden schloss sich nahtlos an. Nach vier Jahren folgte ein Aufbaustudium in Liedbegleitung bei Prof. Olaf Bär und 2011 konnte sie ihr Diplom mit Konzertexamen erfolgreich abschließen.
Es folgte ein Lehrauftrag in der Gesangsabteilung der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden (Prof. Hendrikje Wangemann) und als Solorepetitor Peter Wingrich 2012 einer Berufung als Kantor und Organist an die Cottbuser Oberkirche folgte, spielte Frau Kim so wunderbar vor, dass sie fortan dem Opernensemble des Staatstheaters angehört. Man merkt bei ihr, dass sie ihren Beruf liebt. Hingebungsvoll und mit andauerndem Fleiß erfüllt sie nun die eingangs beschriebenen Aufgaben so überdurchschnittlich gut, dass sie von allen geachtet und respektiert wird. Ihr tägliches Klavierspiel ist für jeden eine Freude. Das Wort „unvorbereitet“ gibt es nicht – Fleiß ist eines ihrer trefendsten Persönlichkeitsmerkmale – und das ist absolut professionell!
Apropos: professionell! Ihr Traum ist es, einmal als Professorin ihre Erfahrungen an Jüngere weiterzugeben. Drücken wir die Daumen, dass sie dieses Ziel einmal erreicht. Und damit sie dieses Ziel auch erreicht, erhält sie heute eine Förderung – den Karl-Newman- Förderpreis 2014.
Herzlichen Glückwunsch.
Martin Schüler, Intendant des Staatstheaters Cottbus
Dr. Antje Mugler
Max-Grünebaum-Preis
schrieb ihre mit dem Prädikat “summa cum laude” bewertete Dissertation mit dem Titel „Verallgemeinertes polynomielles Chaos zur Lösung stationärer Diffusionsprobleme mit zufälligen Koeffizienten“ am Lehrstuhl Wirtschaftsmathematik von Prof. Dr. Ralf Wunderlich.
Auf Basis mathematischer Grundlagen setzte sich Antje Mugler in ihrer Dissertation mit einer hoch aktuellen Thematik auseinander, die durch Aufgaben aus dem Gebiet der Differentialgleichungen mit zufälligen Koeffizienten motiviert ist. Derartige Koeffizienten entstehen in physikalischen und ingenieurtechnischen Anwendungen bei der Modellierung von ungenauen räumlich und zeitlich variablen Eingangsdaten wie z.B. Stoffparametern oder Materialeigenschaften. Eine praktische Anwendung für dieses Problem lässt sich unter anderem in Fragestellungen zur Risikobewertung von unterirdischen Lagern beispielsweise für Atommüll oder für das in Kraftwerken abgeschiedene Kohlendioxid finden. Adäquate mathematisch-physikalische Modellierungen solcher Phänomene und deren Lösung sind eines der zentralen Probleme in dem gegenwärtig stark wachsenden interdisziplinären Forschungsgebiet zur quantitativen Charakterisierung und Reduktion von Unsicherheiten (Uncertainty Quantification). Dr. Mugler erzielte im Rahmen ihrer Untersuchungen eine Reihe neuer und origineller Resultate, die Ausgangspunkt künftiger Forschungen sein können. In der Arbeit wird insbesondere aufgezeigt, wann, unter welchen Voraussetzungen bzw. in welchen Grenzen der sogenannte Standard-Galerkin-Ansatz (mathematisches Näherungsverfahren) verwendbar ist, wenn die zufälligen Koeffizienten durch verallgemeinerte polynomielle Chaosentwicklungen dargestellt werden. Zu den Ergebnissen der Arbeit sind mehrere Publikationen in renommierten Zeitschriften mit Gutachtersystem entstanden, die in der Wissenschaft sowohl nationale als auch internationale Beachtung fanden.
Laudatio von Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach, Präsident der BTU Cottbus-Senftenberg
Dr. Matthias Hermann Richter
Max-Grünebaum-Preis
Sehr geehrte Festgesellschaft,
es ist mir eine Ehre und ganz besondere Freude, Ihnen heute den anderen Preisträger des Max-Grünebaum-Preises vorzustellen: Herrn Diplomphysiker Dr. Matthias Hermann Richter.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie Matthias Richter vor genau 10 Jahren im ersten Semester seines Physik-Studiums bei mir in der Vorlesung saß. Und jetzt bekommt er den Max-Grünebaum Preis für seine exzellente, mit dem Prädikat “summa cum laude” bewertete Doktorarbeit mit dem Titel:
Excitons and Polarons in Resonant Auger Decay Processes
auf Deutsch:
Exzitonen und Polaronen in resonanten Auger-Zerfalls-Prozessen
Für alle, die jetzt nur Bahnhof verstanden haben, will ich zunächst versuchen, den Titel etwas zu übersetzen.
Die Arbeit hat etwas mit Energie zu tun, weniger mit der makroskopischen Energie, wie sie im täglichen Leben, in Kraftwerken und im Namen von Fußballvereinen vorkommt, sondern mehr mit der mikroskopischen Energie, die “die Welt im Innersten zusammenhält” – wie Faust sagt.
Es geht – im Prinzip – um den Aufbau der Materie, insbesondere von organischen Halbleitern, also Kunststoffen, die sich ähnlich verhalten wie Silicium. Die Frage dahinter ist: wie funktionieren die? Und warum?
Ein wesentlicher Schlüssel zu dieser Frage ergibt sich aus der mikroskopischen Energie-Struktur der Materialien. Bei festen Körpern werden die Atome zusammengehalten durch ein Zusammenspiel ihrer äußeren Elektronen und den Restrümpfen, die sich typischer Weise in einer geregelten Anordnung befinden.
Da es keine wirklich “perfekten” Materialien gibt, existieren idR lokale Defekte, wo die geregelte Anordnung gestört ist. Diese lokalisierten Defekte spielen eine wichtige Rolle bei den optischen und elektrischen Eigenschaften der Materialien.
Hier kommen wir zum Titel der Dissertation: Exzitonen und Polaronen sind typische Vertreter solcher lokalisierten Defekte und können wie Fremd-Teilchen im Material betrachtet werden.
Um diese lokalisierten Defekte zu untersuchen, sind spezielle Sonden gefordert, Spion-Elektronen und Löcher. Hier kommen wir zum zweiten Teil des Titels:
Was heißt “Auger-Zerfall“? Der Name geht auf den französischen Physiker Pierre Auger zurück, der als erster beobachtet hat, was passiert, wenn in einem Atom ein Elektron mit hoher Bindungsenergie, aus einer inneren Kern-nahen Umlaufbahn herausgeschlagen wird (das kann z.B. durch einen Röntgen-Blitz passieren). Dabei entsteht auf dieser Bahn zunächst ein Loch, das aber schnell von einem Elektron aus einer äußeren Schale aufgefüllt wird – stellen Sie sich vor, was passiert, wenn man es schaffen würde, aus einem Steinhaufen einen der unteren Steine wegzunehmen: sofort rutschen die weiter oben liegenden Steine nach.
Unser Elektron gewinnt beim Auffüllen des Lochs so viel Energie, dass es noch ein zweites Elektron aus der äußeren Schale freisetzt – Bei unserem Steinhaufen verliert ein weiterer Stein oben seinen Halt und rollt den Haufen hinunter.
Am Ende haben zwei Elektronen das Atom verlassen – zwei Steine den Haufen – und es bleiben zwei Löcher in der äußeren Schale übrig.
Aus der Bewegungs-Energie der freigesetzten Elektronen und der Energie des Röntgenblitzes kann man die Lage der Löcher bestimmen. Wenn man die “Farbe” (d.h. Wellenlänge) des Röntgenblitzes verändert, kann man vorhandene Löcher “resonant” treffen und diese so untersuchen.
Matthias Richter hat solche Untersuchungen durchgeführt und dabei wesentliche neue Erkenntnisse über seine untersuchten Materialien, aber auch über die grundsätzliche Natur der Prozesse gewonnen. Die Gutachter über seine Arbeit sagen hier, dass er wissenschaftliches Neuland betritt. Davon zeugen auch die 15 Veröffentlichungen seiner Forschungsergebnisse in renommierten internationalen Fachzeitschriften und seine 19 Vorträge auf nationalen und internationalen Fachtagungen.
Warum macht sich ein junger Physiker ein solches Thema der Grundlagenforschung zu Eigen? Er könnte doch auch etwas “Praktisches” erforschen, zum Beispiel eine tolle Solarzelle, ein Auto, das kaum Energie verbraucht …
Eine wesentliche Antriebsfeder ist hier – wie bei jedem Physiker – die Neugier! Schon im Titelsong der Sesamstraße heißt es:
Weshalb? Wieso? Warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!
Hier geht es nicht um die Neugier, von der Flaubert sagt: “In der Provinz ersetzt das Fenster Theater und Spaziergänge“, sondern eher um Goethes Einschätzung: “Wer nicht neugierig ist, erfährt nichts“. Und Einstein sagte: “Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur neugierig“. Und ich denke, auch Matthias Richter trägt diese Neugier und Wissbegierigkeit in sich, die die neue Erkenntnis und das neue Verständnis als Basis für neue Entwicklungen und Technologien schafft.
Ein Beleg für dieses Feuer, das in ihm brennt, ist die Tatsache, dass er schon vor dem endgültigen Abschluss seiner Promotion – während die Dissertation bei den Gutachern lag – einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt am California Institute of Technology, dem weltberühmten CALTECH, verbrachte, wo er auch jetzt wieder als PostDoc – das ist als Jungwissenschaftler nach der Promotion – tätig ist
Matthias Richter hat seine Arbeiten im Labor meines Kollegen Professor Dieter Schmeißer durchgeführt. Schon für seine Diplomarbeit im Jahr 2009 auf dem Gebiet organischer Solarzellen hat er sich dieser Arbeitsgruppe angeschlossen.
In seinem Nominierungsschreiben für den Max-Grünebaum-Preis schildert Kollege Schmeißer die außerordentlichen fachlichen und vor allem auch menschlichen Qualitäten von Matthias Richter, die sich schon in seinem ersten Studienjahr abzeichneten.
Kollege Schmeißer bescheinigt Herrn Richter ein “wissenschaftliches Multitalent”, mit dem er auch seinen Kollegen in der Arbeitsgruppe “hilfreich zur Seite stehen konnte”. Er betont die Rolle von Matthias Richter als “eine Art ‘Vordenker’, der neue Ideen auch mit seinen Kollegen erarbeitet und diskutiert sowie deren Umsetzung begleitend verfolgt.” Schließlich habe Matthias Richter “wesentlich dazu beigetragen, dass die BTU Cottbus-Senftenberg in den wissenschaftlichen Bereichen bekannt und etabliert wird. Dies ist ein sehr wichtiger Beitrag zur positiven Außendarstellung der BTU”
Ich denke, besser kann man nicht ausdrücken, dass Matthias Richter ein würdiger Träger des Max-Grünebaum-Preises 2014 ist.
Laudatio gehalten von Prof. Dr. rer. nat. habil. Jürgen Reif (Leiter des Instituts für Physik und Chemie der Fakultät für Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik)
Nicolai Förter
Ernst-Frank-Förderpreis
Sehr geehrte Stifter, sehr geehrte Mitglieder des Vorstandes und des Kuratoriums der Max-Grünebaum-Stiftung, sehr geehrte Gäste, sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, lieber Herr Förter! Als ich mich mit Ihrer Bewerbung für den Ernst-Frank-Förderpreises intensiver auseinander setzte, stolperte ich etwas zögerlich über Ihre Faszination für Windhunde und Windhundrennen. Meine vor-letzte und etwas unglückliche nähere Bekanntschaft mit Hunden (allerdings keine Windhunde), fand in Nordengland statt, als ich mehrere Monate in Manchester an einem Forschungsinstitut verbrachte. Sonntags beim Laufen musste ich wohl das Revier eines Schäfers mit seinen drei Hunden übersehen haben und wurde prompt von allen drei Hunden in Windeseile gleichzeitig angefallen und gebissen.
Und jetzt ein Windhund-Liebhaber, der aktuell in Nordengland studiert?
Meine Neugierde war geweckt. Bis dato kannte ich Herrn Förter nämlich nur als engagierten Studenten, der sich intensiv für den Erhalt der Hochschulregion Lausitz engagierte. Seine Liebe zu Windhundrennen war mir neu.
Ich las weiter in seinen Unterlagen: Die Faszination für Windhunde hatte Herrn Förter bereits während seiner Schulzeit zu den Wurzeln der professionellen Windhundzucht nach Großbritannien verschlagen. Dort lebte er als Jugendlicher viele Wochen bei Gastfamilien und Hundezüchtern. Dabei wurde sein Interesse für Land und Leute geweckt. Mit einem Stipendium der Stiftung für Studienreisen reiste Herr Förter im Jahr 2011 erneut nach England, um auch die negativen Seiten der Hundezucht kennen zu lernen. Während seines Aufenthalts führte er eine Studie zum Thema „Das große Geschäft mit den Greyhounds in Großbritannien – und die Kehrseite der Medaille“ durch. Da die Windhundszene zuweilen sehr schonungslos sein kann, konnte er nicht offen recherchieren, sondern musste sich tarnen, was mich beim Lesen ein wenig an Günter Wallraff erinnerte.
Warum Herr Förter ausgerechnet Windhunde so faszinierend findet, konnte er mir auf Nachfrage allerdings nicht genau sagen, aber diese Leidenschaft war sicher der Beginn seiner intensiven Auseinandersetzung mit Großbritannien und letztendlich mit ein Grundstein für den heutigen Preis.
Lassen Sie mich Ihnen Herrn Nicolai Förter kurz vorstellen.
Herr Förter wurde in Bad Mergentheim geboren und feierte gestern seinen 23. Geburtstag. Hierzu nachträglich alles Gute. Er beendete in Tauberbischofsheim das Gymnasium mit einer Note von 1,6 und startete anschließend zum Wintersemester 2011/2012 ein Studium der Humanbiologie an der Universität Greifswald. Sehr früh merkte er, dass dieses Studium nicht ganz zu seinen Vorstellungen passte. Daher wechselte er ein Jahr später an die Brandenburgische Technische Universität und schrieb sich bei uns in das Studienfach Wirtschaftsingenieurwesen ein. Seine bisherigen Studienleistungen sind hervorragend. Aktuell liegt sein Notenschnitt bei deutlich überdurchschnittlichen 1,3.
Herr Förter wählte die BTU, weil gerade für das Wirtschaftsingenieurwesen hervorragende Bewertungen im CHE-Ranking vorlagen und er sich einen hochwertigen Abschluss wünschte. Über die Wahl seiner Universität ist Herr Förter bis heute sehr glücklich, nichtsdestotrotz ließ ihn der Wunsch, auch in Großbritannien zu studieren, nie los. Dieses Ziel hat er sehr engagiert verfolgt und sich beispielsweise durch vertiefende Sprachkurse auf seinen Aufenthalt in Großbritannien vorbereitet. Seit diesem Wintersemester verbringt er nun für ein Jahr an der University of Leeds in Nordengland, um dort ergänzende Bachelorkurse zu belegen und anschließend ein Praktikum zu absolvieren. Seine Wahl fiel auf Leeds, weil er am renommierten, dort ansässigen Institut for Transport Studies seinen Studienschwerpunkt und seine Interessen im Bereich Verkehrswesen besonders gut vertiefen kann. Nach seiner Rückkehr wird er an der BTU seine letzten Kurse belegen und seine Bachelorarbeit schreiben. Aktuell ist er aber vor allem begeistert über das multikulturelle Leben der riesigen Universität in Leeds mit einem überwältigenden Angebot.
Über die herausragenden Studienleistungen und seine tiefe Faszination für Großbritannien hinaus, ist Herr Förter auch in anderen Bereichen engagiert. Er gab als Schüler Nachhilfe in den Fächern Mathematik, Englisch und Latein. Er war Tutor an der BTU und ist Mitglied des Exzellenzprogramms der Wirtschaftsingenieure an unserer Universität. Zudem ist er Träger eines Deutschlandstipendiums. In Leeds genießt er die Ausflüge in den Peak District und in andere Regionen Nordenglands (passen Sie dabei bitte auf die Schäfer mit ihren Wachhunden auf). Er schwimmt gerne, ist im cross country club aktiv und wird sicher noch viele andere Dinge ausprobieren. Ob da auch der Besuch von Windhundrennen dabei sein wird, konnte ich leider noch nicht in Erfahrung bringen.
Was Herr Förter allerdings zum jetzigen Zeitpunkt mit Sicherheit sagen kann, ist, dass er zumindest Teile seiner späteren privaten und beruflichen Zukunft in Großbritannien verbringen möchte. Der heutige Preis soll diesen Wunsch weiter befördern. Ich gratuliere Ihnen, Herr Förter, ganz herzlich zum Ernst-Frank-Förderpreises 2014 und wünsche Ihnen für Ihren Studienaufenthalt in Leeds alles Gute.
Laudatio gehalten von Prof. Dr. Christiane Hipp (Dekanin der Fakultät für Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen Lehrstuhl für Organisation, Personalmanagement und Unternehmensführung)