Preisträger 2010
Die Max Grünebaum-Stiftung würdigte am 24. Oktober 2010 in Cottbus Künstler des Staatstheaters und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU Cottbus-Senftenberg).
Johanna Emil Fülle
Max-Grünebaum-Preis
Nach dem Studium an der Schauspielschule in Hamburg war das Staatstheater Cottbus Johanna Emil Fülles erstes Engagement. Die intelligente, wissbegierige und neugierige junge Frau spielte hier in den vergangenen zwei Jahren verschiedenste Rollen und bewies dabei ein erstaunliches schauspielerisches Entwicklungspotential. Zuerst war sie zu erleben in der „Trilogie der Träume“ in „the killer in me“ als eine selbstbewusste Hanna, die schon genau spürte, wie sie die pubertären Jungs zu nehmen hatte, und in „Die Nebensächlichen“ als die zuerst etwas steife Susanne, die aber ihr Herz und ihre verdrängte Liebe wiederentdeckt.
In der Räuberbande des Karl Moor schlüpfte sie dann in die Rolle des Schufterle und gestaltete mit wenig Text eine kalte und brutale Type, die sich knallhart in der Männertruppe behaupten kann. Ihrer Franziska in „Minna Lessing“ gab sie einen feinen Witz, intelligente Schläue und eine umwerfende skurrile Leidenschaft. Ein Kabinettstückchen feinen Humors war und ist hier von der jungen Schauspielerin zu erleben. Aber auch, wie sie als aufgeschlossene Lehrerin Fräulein Schulz in „Lehrer sollten nackt nicht tanzen“ die heiklen Themen wie „Sex(praktisch)“ charmant und liebevoll an die Leute bringt, machte sie nicht nur im Stück, sondern ebenso im Publikum zum Lieblingslehrer aller Schüler.
Als „Fräulein Julie“ wuchs Johanna Emil Fülle einen weiteren Schritt über sich hinaus. Mit dieser Rolle gelang es ihr, den Schmerz, die Einsamkeit, die Verzweiflung ihrer Figur mit großen extremen Emotionen darzustellen. Zugleich gelang ihr in anderen Momenten der Inszenierung mit leichtem improvisatorischem Spiel eine souveräne Lockerheit und Leichtigkeit. Im „Schimmelreiter“ machte sie aus Elke eine burschikose und selbstbewusste Frau, die sich in der Begegnung mit Hauke Haien als ebenbürtige Partnerin erweist und in der zarten Liebe zu ihm, ihre Weiblichkeit entdeckt. Der Mut zum solistischen Gesang wuchs und reifte in „Unbeschreiblich weiblich“, auch hier entwickelte sie eine feine, humorvolle, poetische Figur. In „Egmont“ zeigt sie als Margarete von Parma: Einen klaren gedanklichen Zugriff und das kluge Durchdringen klassischer Texte, die auf gegenwärtige Haltungen abgeklopft und verstehbar entäußert werden – eine weitere Facette eines bemerkenswerten schauspielerischen Reifeprozesses. In jede Arbeit bringt sich Johanna Emil Fülle mit großem Engagement ein. Schon bei der Vorbereitung zu einem Stück und auf eine Rolle (beides gehört für sie untrennbar zusammen), legt sie eine ungeheure philologische, philosophische und literarische Akribie an den Tag. Von ihren umfangreichen Recherchen, Reisen inbegriffen, könnten sich selbst Journalisten, die mal die Könige der Recherche waren, eine große Scheibe abschneiden.
Ihre Neugier erstreckt sich aber nicht nur auf die Vorbereitung. Auch auf der Bühne ist sie eine Forscherin, die, immer auf der Suche nach Unbekanntem und Neuem, das künstlerische Risiko nie scheut. In einer gesunden Mischung aus Misstrauen, Fantasie und Mut geht es ihr nicht darum, einmal Gefundenes zu zementieren, sondern vielmehr darum, immer weiter die eigenen Grenzen und die der anderen Kollegen auf und vor und hinter der Bühne auszuloten.
Mario Holetzeck, Schauspieldirektor des Staatstheater Cottbus
Amadeus Gollner
Max-Grünebaum-Preis
Der diesjährige 1. Preisträger des Max-Grünebaum-Preises 2010 des Staatstheaters stand hier – vor Publikum – zum 1. Mal am denkwürdigen Tag des 100. Geburtstages dieses herrlichen Theaters auf der Bühne und spielte in der Uraufführung „Im Rausch der Musen“ das hinreißende Faktotum Albert. Sämtliche Musen, an diesem Tag aus 100jährigem Schlaf zum Bühnenleben erweckt, rissen sich um die Gunst Alberts, denn Albert brachte berauschenden Nektar. Dafür erhielt er von den Musen so manchen – von allen Künstlern ersehnten – Kuss: den symbolträchtigen Musenkuss!
Und das – denkt sich so mancher, der unten im Publikum sitzt und seinem Spiel allabendlich folgt – muss unserem Preisträger in seiner bisherigen Laufbahn auch schon öfter im „echten“ Leben passiert sein. Der also solcher Art Geküsste fand – nach Stationen am Volkstheater Rostock, am Staatstheater Kassel, wo er erstmals auf unseren heutigen Schauspieldirektor Mario Holetzeck traf, am Nationaltheater Mannheim und am Burgtheater Wien – 2008 den Weg ans Staatstheater Cottbus. Ich denke, nun werden die meisten von Ihnen erraten haben, von welchem Schauspieler die Rede ist: von Amadeus Gollner.
Amadeus Gollner ist ein Schauspieler, der mit großer Offenheit seinen Arbeitspartnern begegnet und gleichsam mit stetiger Lust an produktiver Auseinandersetzung in jede neue künstlerische Arbeit geht. Als neugieriger, sensibler und sehr kollegialer Schauspieler schont er sich nicht, nicht seine Partner und schon gar nicht die Regisseure. Konstruktive Kritik – geführt in einem sachlichen Rahmen, die die Inszenierung, die Figuren, die Ästhetik voran bringt – ist für ihn ebenso wichtig wie sein Schauspielhandwerk. Amadeus Gollner ist nie zufrieden mit dem, was erreicht wurde. Ein ständig Suchender. Amadeus Gollner ist ein leiser, doch wacher und zumeist gnadenloser Beobachter. Das bestimmt seine schauspielerische Gangart. Er nähert sich seinen Figuren auf poetisch stille, eher unspektakuläre Weise. Er verleiht ihnen eine große Authentizität, verbunden mit emotionaler Expressivität und Poesie. Sein Spiel ist direkt, glaubwürdig, vielseitig. Immer wieder überrascht er durch neue Facetten. Er ist in unterschiedlichsten Spielweisen zu Hause. Er beherrscht verschiedenste schauspielerische Mittel nicht nur souverän, sondern geht mit ihnen kreativ um und erreicht so eine große Verwandlungsfähigkeit.
Amadeus Gollner hat die beeindruckende Gabe, auch schwierigste dichterische Texte intelligent zu durchdringen: Wie er zum Beispiel mit Schillers oder Goethes Sprache zu großer gedanklicher Klarheit findet, ist ein außergewöhnliches Erlebnis! Es gelingt ihm auf höchstem Niveau, die sprachlichen Facetten seiner Figuren zu ergründen und diese plastisch und lebendig werden zu lassen. So konnten wir in „Die Räuber“ einen Franz Moor erleben, der mit seinen Intrigen, seinen sophistischen Geltungsansprüchen an Gott und die Natur, das Publikum mit geschliffenen, listigen Argumenten überredete. Dabei verfiel er manchmal in eine amöbenhaft, fast ängstliche Körperlichkeit. Dieser Franz Moor erregte Mitleid: hatte er es doch trotz glänzender intellektueller Anlagen zu gar nichts gebracht. Seine vor allem in straffen Schritten demonstrierte Kraft war ein Spuk, sank kläglich in sich zusammen, wenn ihr nur einmal Widerstand entgegen gesetzt wurde.
In „Trilogie der Träume “ spielte er die Rolle des Charlie in „Die Nebensächlichen“. Er zeigte ihn als einen introvertierten, lebensmüden Mittvierziger. Mit berührender Sensibilität und psychologischem Einfühlungsvermögen lotete Amadeus Gollner die Tiefe seiner Figur aus. Mit expressiver Emotionalität ließ er in Charlie allmählich einen großen Konflikt aufbrechen. Er gab dessen seelischer Qual in einem manchmal vor Schmerz gekrümmten Körper Ausdruck und machte sichtbar, wie hilflos und dennoch bewusst Charlie seinen Ausweg und Protest in der Selbstzerstörung suchte.
Einen weiteren schauspielerischen Glanzpunkt setzte der Schauspieler in „Ein Volksfeind “. Hier verkörperte er den kaltblütig kalkulierenden, geschliffenen Politiker Peter Stockmann, der für die eigene Reputation selbst seinen Bruder über die Klinge springen ließ. Wie er die Egomanie und Selbststilisierung dieses Politikers offenbarte und dabei den widersprüchlichen Kosmos eines in seinem Handeln beschränkten Menschen darstellte, war eine Sternstunde der Schauspielkunst. Amadeus Gollner spielt derzeit in „Wie im Himmel“ den Gemeindepfarrer Stig Berggren: Eine Figur, die im ersten Moment still, freundlich, intelligent erscheint, sich aber bald als zutiefst bigott entlarvt. Radikal von der eigenen Ehefrau hinterfragt, verteidigt Gollners Stig vehement die eigene verlogene Art zu leben, zu denken, zu fühlen. Und doch gerät er durch die Konsequenz seiner Frau in eine existentielle Krise, die aber die Möglichkeit von Veränderung in sich birgt.
Amadeus Gollner spielt überzeugend und beeindruckend die Titelfigur in Goethes „Egmont“. Er gestaltet ihn als einen sportlichagilen, lockeren Politiker, der sich wie ein Popstar in der Menge gefällt. Sein Egmont ist ein unbeschwerter Lebemann, davon überzeugt, die Welt gehöre ihm. Klarsichtig und klug lässt er Egmont gegenüber seinem Feind Alba argumentieren. Bei seiner Geliebten Klärchen erlaubt er sich für Momente, ganz pur und unverstellt zu sein. Und wie überrascht und doch gefasst er am Ende das eigene Scheitern begreift …
Gollners Figur prägt sich ein, berührt. Der vielseitige Schauspieler zeigt aber auch immer wieder sein großes komödiantisches Talent – ich erinnere an seine Rollen im „Hauptmann von Köpenick“ und da unvergesslich die Szene vor der Bahnhofstoilette auf dem Schlesischen Bahnhof oder in den „Mini-Komödien“ von Čechov in der Kammerbühne. Auch als Theaterproduzent Gordon Miller in „Room Service oder Zitterpartie mit Zimmerkellner“ brilliert er in rasantem Spieltempo mit unnachahmlichem Slapstick. Wunderbar changiert er zwischen dem ausgestellt seriösen, eloquenten Theaterleiter und einem getriebenen Theatertier, das für das Überleben seiner Schauspielertruppe ständig neue Tricks und Ideen entwickeln muss und von einer Bredouille in die nächste stolpert. Ich gratuliere dem Schauspieler Amadeus Gollner zum Max-Grünebaum-Preis 2010.
Martin Schüler, Intendant des Staatstheater Cottbus
Hans Petith
Karl Newman-Förderpreis
Er arbeitete mit, prägte und gestaltete die musikalische Seite von Inszenierungen wie: „Eine Weihnachtsgeschichte“, „Über sieben Betten musst du gehn“, „Faust“, „Kasimir und Karoline“, „Trilogie der Träume“, „Lehrer sollten nackt nicht tanzen“, „Hauptmann von Köpenick“, „Der Schimmelreiter“, „Unbeschreiblich weiblich“.
In seinem Titel steckt schon vieles: Hans Petith ist Schauspiel – Kapell – Meister. Er ist ein Meister in der Findung und Erfindung der zur jeweiligen Inszenierung passenden Musik. Dazu gehören eigene Kompositionen – wie z.B. in „Der Schimmelreiter“ oder „Lehrer sollten nackt nicht tanzen“–, wie auch von ihm entwickelte ungewöhnliche musikalische Arrangements – man erinnere sich an „Über sieben Betten musst du gehen“ oder „Trilogie der Träume“. Hans Petith ist Meister auch darin, mit eigens und eigenwillig zusammengestellten Kapellen zu arbeiten. Zumeist rekrutiert er diese aus seinem über die Jahre gewachsenen musikalischen Netzwerk, und oft sind die Musiker im sogenannten Crossover, der Verknüpfung sehr unterschiedlicher Musikkategorien, zuhause. Auch er selbst ist ein Musiker, der über eine ungeheure Breite an musikalischen Möglichkeiten verfügt.
Und nicht zuletzt ist Hans Petith oft mitten drin, mit auf der Bühne, im Schauspiel, gewappnet mit einem seiner Instrumente (zum Beispiel dem Akkordeon oder Klavier oder seiner Stimme). Der Schauspielkapellmeister Hans Petith ist auch ein genau musizierender Schauspieler z. B. in „Wie im Himmel“ bzw. ein spielender Musiker in „Eine Weihnachtsgeschichte“ mit viel Talent und großem Humor.
Seine Arbeit ist immer wesentlicher Bestandteil einer Inszenierung, egal ob es einzelne mit den Schauspielern einstudierte Lieder oder Chöre, vorproduzierte Einspielungen seiner Kompositionen oder live gespielte Titel sind. Dabei ist er in gleichem Maße für die Inszenierung dienend und kreativ unterwegs: Manchmal fügt sich seine Musik geradezu organisch in den Probenprozess ein, manchmal wird es aber auch ein starkes Ringen um beinahe jede Note. Denn die Noten transportieren für ihn, selbst wenn sie manchmal „nur“ in den Blacks zwischen Umbauten erklingen, sehr viel von den Figuren, den Stimmungen, den Themen, denen sie vorausschauend oder rückblickend, mit entsprechenden musikalischen Motiven, dienen. Dieses Spiel mit musikalischen Themen und Motiven, die den Zuschauer in seiner Beobachtung der Figuren begleiten, gehört sicher zu den großen Stärken von Hans Petith. Sie erweitern und bereichern das Bühnengeschehen, begleiten die Gefühle der Figuren und/oder kündigen ihre Konflikte und AuseinandersetLaudatio zungen an. Seine musikalischen Konzepte sind genau durchdacht und konsequent durchgeführt.
Mit seiner ersten Inszenierung „Unbeschreiblich weiblich“, einem Liederabend für drei Frauen, bewies Hans Petith, dass er seine musikalische und szenische Phantasie zu bündeln und zu formen versteht. Weibliche Wirklichkeit, Träume, Verzweiflungen und Hoffnungen prallen in einem Schuhladen auf sängerische Weise aufeinander, und der Humor kommt nicht zu kurz: „Schuh—-bi-du“… Hans Petith ist auch ein großer Ermutiger für die Schauspieler beim Einstudieren einzelner Lieder. Er hat ein gutes Gespür für die Balance eines Wortpaares, das in letzter Zeit arg und in anderem Zusammenhang strapaziert wurde: Fordern und Fördern. Dabei ist ihm sein feines Gespür für die einzelnen Schauspieler hilfreich. In dieser Arbeit wird er dann oft, ähnlich einem Regisseur, zum Verführer und erreicht für die Künstler und Zuschauer bewundernswerte Ergebnisse.
Mario Holetzeck, Schauspieldirektor des Staatstheater Cottbus
Dr.-Ing. Michael Fischer
Max-Grünebaum-Preis
Preisträger Bautechnik
Herr Fischer wurde 1970 in Lichtenstein geboren und studierte von 1990 bis 1995 Bauingenieurwesen an der BTU Cottbus. Seine Dissertation mit dem Titel „Steineisendecken im Deutschen Reich 1892 – 1925“ wurde 2009 als beste der BTU gewürdigt.
Die Arbeit von Herr Fischer besticht besonders durch ihren integrativen Ansatz: exemplarisch werden geisteswissenschaftliche, hier bauhistorische, mit ingenieurwissenschaftlichen Methoden zusammengeführt und erschließen so neue Erkenntnismöglichkeiten zu einer Thematik, die für das heutige Bauen im Bestand von erheblicher Bedeutung ist. Im frühen 20. Jahrhundert prägten Steineisendecken als einfach zu erstellende und preiswerte Lösungen maßgeblich den Stockwerksausbau. Sie übertrafen hinsichtlich Vielfalt und Verbreitung viele Jahre lang die etwa zeitgleich entwickelten Eisenbetondecken und erlangten vor allem in Verbindung mit Skeletttragwerken weltweit an Einfluss. Der Bedeutung der Steineisendecken steht die weitgehende Unkenntnis über die Geschichte und ihre zeitgenössische Berechnung gegenüber.
Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den heutigen Umgang mit historischen Steineisendecken. Aktuelle statische Nachweise sind von unscharfen Randbedingungen geprägt. Ein Ausweg wird häufig in Probebelastungen oder der Verstärkung der Deckenfelder gesucht. Beides ist kostenintensiv, oft resultiert aus der Unkenntnis der noch teurere bauliche Ersatz.
Herr Fischer untersucht in seiner Dissertation die historisch-konstruktive Entwicklung der Steineisendecken und erarbeitet, dokumentiert und bewertet eine umfassende Entwicklungsgeschichte, die bislang einmalig ist.
Die Arbeit gliedert sich in drei Bände, in denen sich Herr Fischer mit der Genealogie der Hohlkörper-Deckentragwerke, einer Chronologie der Steineisendecken im Deutschen Reich. Die Dissertation von Herrn Fischer besticht durch eine Vielzahl an Ansatzpunkten, wie zum Beispiel die Breite und Vielfalt der erschlossenen Quellen, die Relativierung theoretischer Erkenntnis an der Realität des Bestands, die Qualität der Quellenkritik sowie die bestechende Aufbereitung und Kommunikation der Ergebnisse. Herrn Fischer ist es mit seiner Arbeit gelungen, eine erste umfassende und bislang einmalige Untersuchung zu dieser außerordentlich bedeutenden Deckenart vorzulegen. Seine Arbeit wird in Zukunft sicherlich den Status eines soliden Grundlagenwerkes zugeschrieben bekommen. Die Arbeit entstand darüber hinaus in einem interdisziplinären Bereich der Fakultät 2 zwischen konstruktivem Ingenieurbau, Tragwerkserhaltung und Bautechnikgeschichte, dem in der deutschen Forschungslandschaft ein Alleinstellungsmerkmal der BTU Cottbus zukommt.
Prof. Dr. Walther Zimmerli, Präsident der BTU Cottbus
Dr.-Ing. Ralf Ossenbrink
Max-Grünebaum-Preis
Preisträger Maschinenbau
Es ist mir eine Ehre und eine Freude nach 10 Jahren wieder auf dieser Bühne im Staatstheater Cottbus stehen zu dürfen. Damals war es ein von mir vorgeschlagener Kandidat, der diesen Preis erhielt. Vielen Dank an die Stiftung und das Theater für diese tolle Festveranstaltung.
Da auch die Musiksprache von Jacques Iberts Divertissement, das wir hier unter der wunderbaren Leitung von Evan Christ hören, nicht immer ernst ist, möchte ich Ihnen folgende Laudatio hier und da mit Augenzwinkern vortragen. Und nun zur Person und zur Arbeit unseres Preisträgers Ralf Ossenbrink.
Herr Dr.-Ing. Ossenbrink wurde in Oelde geboren. Das liegt in der Mitte des Vierecks Osnabrück, Dortmund, Bielefeld und Paderborn. Warum ich Ihnen das sage? Osnabrück kennt jeder, denn dort hat Energie Cottbus vorgestern 0:2 verloren. Zunächst ließ Herr Ossenbrink sich zum Industriemechaniker ausbilden. Anschließend studierte er in Braunschweig Maschinenbau, wo er seine Diplomarbeit in Zusammenarbeit mit Thyssen absolvierte. Nachdem er als Ingenieur bei Thyssen und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Braunschweig sowie am Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik arbeitete, wechselte er im Jahr 2004 an die BTU Cottbus, wo er 2009 am Lehrstuhl Fügetechnik von Professor Michailov mit „summa cum laude“ promovierte. Zwischenzeitlich war er beteiligt an dem Aufbau verschiedener Arbeitsgruppen unter anderem als Leiter der BMBF-Nachwuchsforschergruppe „InnoStructure“. Seine Dissertation lautet: „Thermomechanische Schweißsimulation unter Berücksichtigung von Gefügeumwandlungen“. Es geht es also ums Schweißen!
Nehmen wir z. B. das Orchester, das uns eben den Marsch geblasen hat. Es gibt dort Blasinstrumente, die sind aus Holz und eben welche, die sind aus Blech. Und da diese Blechblasinstrumente nicht aus einem Stück (im Gegensatz zu den Instrumenten, die einige Bergvölker im Süden bevorzugen) sind, müssen wir zu ihrer Herstellung die Fügetechnik anwenden. Stellen Sie sich vor, man nimmt zwei Bleche in die Schraubzwinge und versucht bis zu zehn Mal sie aneinander zu schweißen. Es entstehen Schweißnähte, keine Naht hält und das Material bricht. Die Dissertationsarbeit von Herrn Ossenbrink befasst sich mit der Behebung dieses Defizits. Er simuliert in seiner Arbeit die Vorgänge durch das Auswerten der von einem Programm gesammelten Materialdaten, er berechnet Wärmeprofile, Zeitverlauf, Schrumpfung, Verzüge und mechanische Spannung unter Anwendung des Laserstrahlschweißens. Er ist in der Lage, allgemeines Wissen zu analysieren, Probleme zu formulieren, fundierte Lösungen zu planen und sie in einem sicheren Umgang mit komplizierter Technik und Software umzusetzen. Die Forschungsarbeit von Herrn Ossenbrink ist hochaktuell und interdisziplinär, leistet einen wichtigen Beitrag für die Materialwissenschaften und spart Energie bzw. CO2. Die von ihm erzielten hervorragenden Forschungsergebnisse sind in zahlreichen national und international anerkannten Fachzeitschriften und -bänden veröffentlicht und stoßen auf große Anerkennung in der Fachwelt. Herr Ossenbrink ist ein Meister der Fügetechnik, eine Spitzenkraft und ein Beispiel dafür, dass es unser Ziel ist, durch exzellente Arbeitsbedingungen eben diese Spitzenkräfte nach Cottbus zu holen, bzw. in Cottbus zu halten.
Nun bin ich am Ende meiner Kadenz über die Person und die Arbeit von Herrn Ossenbrink und freue ich mich auf die Kadenz von Jaques Ibert am Schluss der Veranstaltung.
Liebe Festgäste, jetzt bitte ich um Ihren Applaus für den Preisträger Dr. Ralf Ossenbrink.
Prof. Dr. Dieter Schmeifler, Vizepräsident für Forschung, Entwicklung und Innovation
Dr. Dipl.-Ing.
Maurice Bäsler
Max-Grünebaum-Preis
Bereits zum 11. Mal wird der Max-Grünebaum-Preis an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität vergeben.
Die Jury steht dabei jedes Jahr vor der schwierigen Aufgabe, aus den zahlrei-chen vorgeschlagenen Bewerberinnen und Bewerbern die besten auszuwählen. Einer von diesen außergewöhnlich herausragenden Wissenschaftlern ist Herr Dr. Maurice Bäsler.
Herr Bäsler wurde 1975 in Lübben geboren und studierte von 1996 bis 2003 Wirtschaftsingenieurwesen an der BTU Cottbus. Ein Auslandssemester führte ihn dabei an die Sunderland Business School, U.K. Schon seine Diplomarbeit schloss er mit „sehr gut“ ab, seine Dissertation mit dem Titel „Die Bedeutung des Qualitätsmanagements für den wirtschaftlichen Erfolg von Entwicklungs-projekten. Entwicklung eines Bewertungsmodells zur wertorientierten Aufga-benplanung für das Qualitätsmanagement in der Produktentwicklung“ erhielt das Prädikat summa cum laude.
Die Wirtschaftlichkeit des Qualitätsmanagements ist qualitativ unbestritten, aber dennoch schwer zu quantifizieren, da die Kosten vergleichsweise einfach zu bestimmen sind, der Nutzen jedoch nur schwierig finanziell auszudrücken ist. Es ist besonders schwierig zu bewerten, wie wichtig welche Aufgaben des Qualitätsmanagements in Entwicklungsprojekten sind oder welche Aufgaben einen besonderen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg von Fahrzeugprojekten haben. Dieser Frage hat sich Herr Bäsler in seiner Arbeit gewidmet und entwickelte dafür ein Bewertungsmodell. Seine Arbeit liefert einen wichtigen Beitrag zur ingenieurwissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements.
Basis des Modells ist ein Referenzprozess für Produktentwicklungsabläufe, den Herr Bäsler systematisch und praxisnah herleitet. Dieser Prozess zeichnet sich dadurch aus, dass meilensteinbezogene Ergebnisse eindeutig aufgezeigt werden. Dadurch können die Aufgaben des Qualitätsmanagements unabhängig vom spezifischen Projektablauf den Entwicklungsergebnissen zugeordnet werden. Die meilensteinbezogenen Ergebnisse bilden zudem die Verbindung zu Werttreibern, die es ermöglichen, den wirtschaftlichen Erfolg eines Entwicklungsprojekts und verschiedene Ansätze zum Qualitätsmanagement zu beurteilen. Mit dem Bewertungsmodell wird dargestellt, dass die Wirkung des Qualitätsmanagements auf den Projekterfolg in den früheren Projektphasen am größten ist.
Die Arbeit von Herrn Bäsler ist ein analytischer Anstoß zur Diskussion der wissenschaftlichen Bedeutung des Qualitätsmanagements und seiner Aufgaben. Die Dissertation forciert eine Diskussion des Qualitätsmanagements in der Produktentwicklung und ermöglicht eine kritische sowie konstruktive Einschätzung des Qualitätsmanagements in der Produktentwicklung.
Prof. Dr. Walther Zimmerli, Präsident der BTU Cottbus
Fabienne Masson
Ernst-Frank-Förderpreis
Design mit Schwerpunkt Innenarchitektur ist ein schöner Beruf, aber letztlich ist alles eine Frage des Maßstabs. Fabienne Masson war mit den überschaubaren Gegenständen ihres Studiums an der Haute Ecole des Arts Appliqués in Genf offenbar nicht ausgelastet, denn sie kam – nach mehrjähriger Berufserfahrung – aus der Schweiz nach Cottbus und schrieb sich an der BTU in den internationalen Studiengang World Heritage Studies ein. Das ist ein Studiengang für Leute, die keine Angst haben vor weiten Feldern, großen Dimensionen und komplexen Zusammenhängen.
In ihrer Projektarbeit hat Fabienne Masson mich stets durch die Präzision, Effizienz und Souveränität ihrer mündlichen und schriftlichen Beiträge beeindruckt. Sie hat Ihr Studium in Rekordzeit bei gleichzeitig exzellenten Leistungen abgeschlossen.
Der Studiengang gab ihr viele Anregungen und Angebote, die sie in jeder Beziehung nutzte. Schon nach dem ersten Studienjahr ging sie für mehrere Monate nach Bahrain, um an einem Projekt mitzuarbeiten, das danach strebt, das auf der Perlenfischerei beruhende Kulturerbe am Persischen Golf auf die Welterbeliste zu bringen.
Auf der Suche nach einem Thema für ihre Masterarbeit richtete Fabienne aber ihren Blick in eine andere Gegend der Welt, nämlich auf die britischen Inseln. Ich konnte ihr zunächst Eastnor Castle anbieten, ein 1812 errichtetes Landhaus an der Grenze zu Wales, dessen wuchtige neo-normannische Mauern äußerst qualitätvolle und vielfältige Räume bergen. Der Eigentümer, James Hervey-Bathurst, ist als Präsident des World Monument Fund UK selbst ein herausragender Kenner der Denkmal-Materie. Er wäre begeistert gewesen, wenn Fabienne sich dem Thema eines Denkmalpflege- Management-Plans für sein Anwesen gewidmet hätte, aber es gab da noch ein konkurrierendes Projekt, das Fabienne attraktiver erschien: die seit 1996 auf der Liste des Welterbes eingetragene Alt- und Neustadt von Edinburgh. Hier konnte sie im April bis Juli 2010 einen wichtigen Beitrag zur Regelung der Pufferzone leisten, die dem Zweck dient, potentiell störende neue Entwicklungen auf Distanz zum Welterbebereich zu halten. In ihrer Masterarbeit hat sie sich ausführlich mit dem Thema der Pufferzone an sich beschäftigt und dabei in methodischer Hinsicht Neuland erschlossen.
Als Fußnote möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass James Hervey-Bathurst sich nicht lange zu grämen brauchte, dass Fabienne ihm die kalte Schulter gezeigt hatte: Es ist uns sogar gelungen, das Thema Eastnor Castle in den Mittelpunkt einer Doktorarbeit zu stellen, die von einer Stipendiatin unserer International Graduate School bearbeitet wird. Aber das ist dann vielleicht ein Thema für ein anderes Jahr!
Prof. Dr.-phil. Leopold Schmidt, Lehrstuhl Denkmalpflege