Preisträger 2011
Die Max Grünebaum-Stiftung würdigte im Rahmen eines Festaktes am Sonntag, 30. Oktober 2011, in Cottbus junge Künstler des Staatstheaters Cottbus mit zwei Max-Grünebaum-Preisen und einem Förderpreis. Zwei Max-Grünebaum-Preise sowie einen Förderpreis erhielten Nachwuchswissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU).
Die Max-Grünebaum-Preisträger des Staatstheaters Cottbus sind die Sängerin Marlene Lichtenberg und der Tänzer Christian Schreier.
Den Karl-Newman-Förderpreis, eine Studienreise nach London, erhielt der Erste Kapellmeister Marc Niemann.
Die Max Grünebaum-Stiftung verlieh der BTU drei Auszeichnungen.
Der Max-Grünebaum-Preis 2011 ging an zwei hervorragende Nachwuchswissenschaftlerinnen der BTU Cottbus: Dr. rer. nat. Valeriya Lykina und Dr.-Ing. Henriette Freifrau von Preuschen von und zu Liebenstein, M.A..
Der Ernst-Frank-Förderpreis, der einen Studienaufenthalt in Großbritannien beinhaltet, wurde an Susann Harder, M.A., verliehen.
Der Max-Grünebaum-Preis, der in diesem Jahr zum 15. Mal vergeben wurde, ist mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Die Preise wurden im Rahmen eines Festaktes verliehen. Während des Festaktes trug sich Dr. John Gumbel, Mitglied der Stifterfamilie und Urenkel von Max Grünebaum, in das Goldene Buch der Stadt Cottbus ein.
Marlene Lichtenberg
Max-Grünebaum-Preis
AIDA, die wohl populärste Oper von Giuseppe Verdi, gehört zu den Kronjuwelen eines jeden Theaterrepertoires und stellt jede Menge Herausforderungen, die zu bewerkstelligen sind, will man vor den Augen und den feinen Ohren des hoch erwartungsgestimmten – und meist auch verwöhnten – Publikums bestehen. Gestern Abend konnten viele von Ihnen die Produktion unseres Staatstheaters erleben, und am Ende wurden alle Mitwirkenden vom Publikum gefeiert, aber am meisten Beifall bekam eine Sängerin, Künstlerin, Mezzosopranistin – die diesjährige Max-Grünebaum-Preisträgerin 2011: Marlene Lichtenberg als Amneris.
Ihr Engagement seit der Spielzeit 2010/2011 stellt einen Glücksfall dar, denn in der Vorbereitung eben jener Spielzeit planten wir drei absolute Highlights der Opernliteratur: EUGEN ONEGIN, SIEGFRIED und AIDA – ein jedes verlangt große, aber sehr unterschiedliche Mezzosopran-Partien. So die lyrische Olga in EUGEN ONEGIN; den tiefen, warm strömenden ERDA-Klang in SIEGRIED und zu guter Letzt die schwere dramatische Mezzosopran-Partie der Amneris in AIDA.
Eigentlich eine aussichtslose Absicht, alle diese drei unterschiedlichen großen Partien mit einer Sängerin besetzen zu wollen und dann zweitens: eine zu finden! Und drittens, dieses Allround-Talent ins feste Engagement nach Cottbus zu locken. Aber ich kann Ihnen sagen: es gelang!
Und wie!! Marlene Lichtenberg hat nicht nur diese drei anspruchsvollen Partien bestens gemeistert, sonder auch ihr komödiantisches Talent als Öffentliche Meinung in ORPHEUS IN DER UNTERWELT unter Beweis gestellt. Aber was war vor Cottbus! Geboren und aufgewachsen ist Marlene Lichtenberg in einem Dorf in Südtirol, wo ihr gemeinsam mit ihrer Schwester anhand traditioneller Volksmusik mit Hackbrett und Ziehharmonika die „Freude an der Musik“ vermittelt wurde. Die Sommermonate wurden bei den Großeltern auf der Alm als Kuhhirtin verbracht, am Abend war dann das Singen von zweistimmigen Volksliedern angesagt: Immer dieselben – jeden Abend – ob sie wollten oder nicht. Die erste Begegnung mit klassischer Musik war mit 13 Jahren – der Vater schenkte ihr eine CD mit dem 3. Klavierkonzert von Beethoven, die erste Oper wurde mit 18 Jahren in Prag gesehen und gehört – es war die „Zauberflöte“, nichts ahnend, dass sie später mal auf der Bühne selbst agieren würde.
Aber die erste eigene entscheidende Begegnung mit Gesang ereignete sich in ihrem ca. 1000-Seelen-Dorf Latzfons in Südtirol als Kirchenchorleiterin – nicht etwa, weil sie besonders gut war (laut ihrem eigenen Bericht: was ich bezweifle!), sondern weil „Not am Mann“ war. Sie bereitete ein Konzert vor und als Verstärkung sang der Berliner Dirigent Fritz Weisse, der dort ein Ferienhaus hat, im Bass mit. Frau Lichtenberg machte wie immer Einsingeübungen vor der Probe und danach kam Herr Weisse zu ihr und sagte: „Mädchen, Sie haben Stimme! Machen Sie doch etwas daraus!“
Die Idee gefiel ihr gut, weil sie – die bis dahin als Grundschullehrerin arbeitete – auch auf der Suche nach etwas Neuem war. Die Aufnahmeprüfung in Innsbruck und am Mozarteum in Salzburg waren im Herbst, sie hatte aber vor, den Sommer in Afrika mit schwerstbehinderten Kindern zu arbeiten. Was sie auch tat und immer nach der Arbeit, um 16 Uhr in den nahe gelegenen Wald – oder Wüste – ging und dort ihre Stimmübungen absolvierte. Beide Prüfungen wurden mit Bravour bestanden und so begann die Laufbahn als erfolgreiche Sängerin.
Die wichtigsten Stationen nach dem Mozarteum in Salzburg waren ihre Gesangsausbildung an der renommierten Janáček-Akademie in Brünn (CZ) bei dem Bassbariton Richard Novak, der erst kürzlich in einem Interview über Marlene Lichtenberg folgendes sagte: „Sie hat eine sehr tiefe Stimme, mehr Alt als Mezzosopran. Als ich sie zum ersten Mal singen hörte, war ihre Stimme scharf, zerrissen und zerbrochen. Aber ich habe gemerkt, sie wollte mit dieser furchtbaren Stimme etwas ausdrücken. Ich dachte mir: diese Frau ist musikalisch begabt und interessant. Ohne außerordentliche Musikalität hätte es keinen Sinn gehabt, mit ihr zu arbeiten – das kann man nicht lernen.“ Es wurde eine intensive Lehrzeit: fünf Jahre jeden Tag. Disziplin, Gehorsam und Konzentration waren Grundvoraussetzung. Lob gab es kaum: Wenn er etwas gesagt hat, dann das: Podivete se na tu popelku! (Na schaun Sie sich dieses Aschenputtel an!)
Es folgten nach Brünn viele Meisterkurse und Liedklassen bei namhaften Künstlern, aber ihr Operndebüt gab Marlene Lichtenberg im Sommer 2007 beim Opernfestival von Avenches (Schweiz). Es folgten Gastengagements in Turin als Maddalena, in Bozen, Košice und Nordhausen – dort als Ulrica in Verdis MASKENBALL, in Catania und Liberec, wo ich sie als Carmen sehen konnte. Aber kurz vorher hatte sie schon am Staatstheater Cottbus vorgesungen, wo jener Glücksfall, wie anfangs beschrieben, eingelöst wurde und wir in Marlene Lichtenberg genau die Sängerin fanden, die wir suchten für die erfolgreiche Realisierung unserer Spielzeitvorhaben. Ihr wunderschönes, warmes Stimmtimbre, gepaart mit überzeugender Spielintensität, hat sie innerhalb nur einer Spielzeit zum Publikumsliebling werden lassen, so dass sie auch in der Kritik von SIEGFRIED durch die renommierte Wiener Opernzeitschrift DER NEUE MERKER als eine der größten Hoffnungen für das Alt-Fach bekannt wurde. Ich freue mich auf weitere Partien und die gemeinsame Arbeit mit Marlene Lichtenberg und gratuliere zum Max-Grünebaum-Preis 2011.
Martin Schüler, Intendant und Operndirektor
Christian Schreier
Max-Grünebaum-Preis
Unser Max-Grünebaum-Preisträger 2011 wurde am 25. Januar 1985 in Borken/Nordrhein-Westfalen geboren.
Die ersten Tanzschritte in einem Ballettsaal hat er unter anderem dem Umstand zu verdanken, dass bei ihm mit sechs Jahren eine Skoliose festgestellt wurde. Statt zur Rückengymnastik oder zur Physiotherapie schickte ihn seine Mutter zur Linksrheinischen Company, einem Amateurensemble unter der Leitung von Slavek Muchka. Scheinbar mit Erfolg. Denn nicht nur die Skoliose verschwand mit der Zeit, sondern, schon im Alter von zehn Jahren, folgte eine Einladung an die Ballettschule des Hamburger Balletts. Unter Ballettintendant John Neumeier und seinen Pädagogen Kevin Haigen, Britta Adam und Radik Zaripov, gab es klassischen Tanz mit den besten Grundlagen. Die Neugierde auf Modern- und Musical Dance in den unterschiedlichsten Facetten ließ unseren Preisträger schon mit 13 Jahren seinen ersten Sommerworkshop an der Stage School in Hamburg absolvieren.
Das Interesse für modernen Tanz war sofort geweckt und als ihm seine Lehrerin Britta Adam eine „besondere Eignung für Kreatives“ bescheinigte, war sein Weg klar: eine Bewerbung an der Palucca-Schule. Die Dresdener Tanzhochschule gilt auch heute noch als ein Ort der besonderen Tänzer- und Choreografen-Talente-Förderung in Deutschland. 16 Jahre war unser Preisträger alt, die Aufnahmeprüfung war natürlich bestanden, und die Dresdener Pädagogen Professor Jenny Coogan, Professor Fritz Rost und der von mir besonders verehrte Professor Raymund Hilbert, gaben ihm den Feinschliff. Noch während des Studiums bekam er ein Stipendium der „Esther Arnold Seeligman Stiftung“ und durfte von 2003 bis 2004 an der Duke University in Durham, USA, seine Ausbildung fortsetzen. In diese Zeit fällt auch die Zusammenarbeit mit David Dorfman, dessen Assistent er später bei verschiedenen Amerika-Tourneen wurde. Dorfman förderte auch seine choreografische Entwicklung und unser Preisträger wurde als Choreographer in Residence beim American Dance Festival in Durham engagiert. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland, diplomierte er 2006 an der Palucca-Schule Dresden mit „sehr gut“ und erhielt sein erstes Festengagement an der Staatsoperette Dresden.
Nach einer Zwischenstation an den Landesbühnen Sachsen/Radebeul, ist er seit 2009 Ensemblemitglied unseres Balletts. Selbst nach nur zwei Spielzeiten kann unser Preisträger schon ein beachtliches Spektrum an Hauptrollen für sich verbuchen. Den Narr in „Infantin und Narr“, Coppelius in „Coppelia Suite“, Alain in „Die schlecht behütete Tochter“ und den kleinen Peter in „Die Weihnachtsgans Auguste“. Seine choreografische Begabung stellte er in unserem Kammertanzabend „Herzschläge“ mit seinem 10-minütigen Ensemblestück „Augenblicke“ unter Beweis. Zweifellos ein künstlerischer Höhepunkt war für ihn die tänzerische Mitwirkung im Ballettabend „Chopin imaginaire“ in der Choreografie von Giorgio Madia. Die Gestaltung der Figur Viktor in dem Tanzstück „Und der Haifisch, der hat Tränen“, vom Choreografen Sven Grützmacher wurde in der letzten Spielzeit zur größten Herausforderung für ihn. Seine 90-minütige durchgehende Bühnenpräsenz in diesem Stück, die psychisch und vor allem physisch das Härteste war, was ich seit langem an unserem Hause gesehen habe, ließen diesen Abend zu einem nachhaltigen, nachdenklichen und unvergesslichen Erlebnis für alle Zuschauer werden. Lieber Christian, ich arbeite gern mit Dir zusammen, weil Du, egal ob große oder kleine Aufgaben, stets 100 Prozent und mehr gibst. Ich weiß, dass wir noch viele spannende Stücke mit Dir erleben werden und bin schon jetzt gespannt auf Deinen „Harlekin“. Ich freue mich, dass der Max-Grünebaum-Preis 2011 an den Tänzer Christian Schreier geht.
Dirk Neumann, Leiter des Ballettensembles
Marc Niemann
Karl Newman-Förderpreis
Was macht eigentlich ein Dirigent? Das ist wahrscheinlich der Satz, den ich am häufigsten höre, wenn mein Gegenüber nach dem dritten Bier abends in der Kneipe sich endlich traut, diese Frage zu stellen. Mir scheint, viele können sich nur schwer vorstellen, warum ein Orchester überhaupt einen Dirigenten braucht. Ich glaube, viele Orchestermusiker fragen sich das auch. Jedenfalls, muss ich jedes Mal eine Weile darüber nachdenken, was ich antworten soll.
Meistens erzähle ich, dass ein Orchester auch gut alleine spielen könnte, aber dann bräuchten sie mindestens zehnmal so lange für die Proben. In der Musik muss man ständig Entscheidungen treffen: wie kurz, wie lang, wie schnell, wie langsam, wie laut, wie leise. Wenn eine Person diese Entscheidungen trifft und Ansagen macht, geht das relativ schnell. Aber, wenn 50 oder 100 Leute darüber streiten müssen … naja, das kann dauern. Und dann: In der Oper kommen auch noch Sänger dazu. Es ist natürlich auch eine Frage der Qualität. Ich bin überzeugt, ein Orchester kann auch sehr gut ohne Dirigent spielen. Aber, wie klingt eine Aufführung voller Kompromisse, die man während der Probenarbeit eingehen musste? Wer kümmert sich um den Bogen des Stückes? Und was passiert, wenn nur einer von 100 sich verzählt? Wie kommt er je wieder rein?
Aber, könnte nicht ein Dirigent die Proben leiten und das Orchester spielt die Aufführung alleine? Ein Dirigent formt das Geschehen mit musikalischen Bewegungen, hält die Mitwirkenden zusammen, gibt Zeichen, um den Spielern zu helfen, ihr Bestes zu geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, als ich vor drei Jahren als Chefdirigent in Cottbus angefangen habe, wusste ich genau: ich werde starke Kollegen brauchen, um unsere Ziele zu verwirklichen. Ich habe lange lange überlegt, wer in Frage kommen könnte, als mein Stellvertreter, auch bekannt als 1. Kapellmeister. Man will, dass der Laden ohne Komplikationen läuft, ohne Intrigen und völlig professionell. Mir fiel ein, ich hatte damals in Pforzheim auf einer Gastspielreise einen Ballettabend im Theater, unter der Leitung des 1. Kapellmeisters Marc Niemann, gesehen. In der Pause habe ich mich kurz vorgestellt. Die Aufführung hat mir sehr gut gefallen und die Kollegen im Orchester haben mir auch berichtet, dass die Arbeit mit ihm einwandfrei laufe. Was ich so sehr schätze an meinem ersten Kapellmeister Marc Niemann ist, dass ich überhaupt keinen Kontakt mit ihm habe. Oder sollte ich lieber sagen, dass ich überhaupt keinen Kontakt mit ihm haben muss. Marc genießt den Respekt der Kollegen. Egal, welche Aufgabe er hat, sie wird mit Souveränität erledigt. Bei Einstudierungen wie „Candide“, „Die Welt auf dem Mond“ oder „Jekyll und Hyde“ hat er eine fantastische Art, Regisseur, Darsteller und Orchester so zusammenzuführen, dass alle an einem Strang ziehen.
Eine der schwersten Aufgaben für einen 1. Kapellmeister ist das Nachdirigieren. Das heißt, eine Oper übernehmen, wie zum Beispiel „Eugen Onegin“ am Pult, ohne Probe. Man muss die richtigen Tempi finden, den Sängern die Impulse geben und die über 100 starken Persönlichkeiten zu einem homogenen Ganzen formen. Hier ist Marc auch absolut souverän. Ich muss mir nie Sorgen machen um einen Abend unter seiner Leitung. Im Umgang mit Marc (Sie sehen, ich habe doch ab und zu mit ihm Kontakt) ist er stets professionell, musikalisch und sachkundig. Die Aufgaben eines 1. Kapellmeisters sind nicht immer die leichtesten. Ich erinnere mich an die Produktion „Der Zauberer von Oss“. Mario Holetzeck hat super Regie geführt. In der Oper weiß man meistens Monate im Voraus, was gesungen und gespielt wird. Irgendwelche Striche sind schon längst klar. Aber nicht bei Mario. Er feilt bis zur Generalprobe und ändert die Musik bis zuletzt. Deswegen wahrscheinlich sind seine Inszenierungen so frisch und amüsant, aber für einen musikalischen Leiter, der verschiedene Besetzungen unterbringen muss, ein Albtraum. Aber nicht für Marc. Er bringt Ruhe hinein. Auch bei einem noch schwierigeren Stück wie „Fürst Pücklers Utopia“. Er ist jemand, der sich kümmert. Stundenlang bereitet er Stimmen vor. Er behält den Überblick und stellt sicher, dass die Vorstellungen und Konzerte positive Erlebnisse werden. Marc, ich freue mich sehr, dass Du diesen Preis heute bekommst. Du bist einer meiner wichtigsten Mitstreiter hier am Haus und ich bin sehr froh, dass Du hier bist. Danke für Dein tolles Engagement, Deine Treue und Musikalität.
Evan Christ, Generalmusikdirektor am Staatstheater Cottbus
Dr. Valeriya Lykina
Max-Grünebaum-Preis – Mathematik
Dr. Valeriya Lykina wurde 1979 in Dnepropetrovsk (Ukraine) geboren. Nachdem sie ihr Studium an der Staatlichen Universität Dnepropetrovsk mit sehr guten Ergebnissen abgeschlossen hatte, kam sie im Jahr 2000 nach Deutschland und erwarb an der BTU Cottbus ein zweites Diplom als Mathematikerin. Danach begann sie ihre Promotion im Rahmen der International Gratuate School der BTU unter der Betreuung von Frau Prof. Sabine Pickenhain, Lehrstuhl Mathematik/insbesondere Optimierung. Ihre Dissertation „Beiträge zur Theorie der Optimalsteuerungsprobleme mit unendlichem Zeithorizont“, die sie mit Auszeichnung abschließen konnte, ist einem hochaktuellen Forschungsgebiet gewidmet.
Steuerungsprobleme mit unendlichem Zeithorizont beschreiben beispielsweise das langzeitliche ökonomische Wachstum einer Gesellschaft und dessen Steuerung.
Weil die Ökonomie als Ganzes in absehbarer Zeit kein natürliches Stoppdatum hat, ist es sinnvoll, die Fiktion eines unendlich langen Planungshorizontes in die mathematische Modellierung einzuführen. Dies ist besonders für die Generationen wesentlich, die nach dem Ende einer festen Planungsperiode leben, weil deren Konsumtion durch den Planungshorizont beeinflusst wird. Die Betrachtung eines unendlichen Zeitintervalls geht auf den berühmten Mathematiker Frank Plumpton Ramsey (1903-1930) zurück.
Valeriya Lykina zeigt in ihrer Arbeit die Existenz optimaler Lösungen und deren Berechenbarkeit mit Hilfe geeigneter Optimalitätsbedingungen auf.
Ihre Dissertation wird im Gutachten als Pionierleistung auf dem Gebiet der Optimalsteuerungsprobleme mit unendlichem Zeithorizont bezeichnet. Ihre Arbeit beruht auf anspruchsvollen, selbst entwickelten, tiefliegenden mathematischen Methoden. Dabei gelang es ihr, auf der Basis einer breiten theoretischen Diskussion und numerischen Analyse neue, eigenständige Ergebnisse zu erzielen. Alle drei Gutachter bestätigen ihr eine herausragende Arbeit, die mit den erzielten Forschungsergebnissen schon wichtige Schritte in Richtung einer Habilitation gegangen ist. Auch auf zahlreichen internationalen Konferenzen hat sie sich mit exzellenten Vorträgen auf ihrem Forschungsgebiet einen Namen gemacht. Sie besitzt ein tiefes und anwendungsbereites Wissen auf vielen Gebieten der Mathematik, welches sie in ihrer Lehrtätigkeit an der BTU methodisch geschickt an die junge Generation weiterzugeben weiß.
Frau Lykina ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die großes wissenschaftliches Potential für eine Karriere im Hochschulwesen hat. Sie lebt seit 12 Jahren in Cottbus und spricht außer Ihrer Muttersprache noch deutsch, englisch und französisch. Neben den Sprachen gilt ihr Interesse der Literatur und Musik, aber auch der Fotografie und dem Tanztheater. Zielgerichtet arbeitet sie an ihrer weiteren wissenschaftlichen Qualifizierung und wird ihre Forschungen unter anderem als Leiterin einer Nachwuchsforschergruppe fortführen.
Wir wünschen Frau Lykina für ihre weitere Arbeit und für ihr persönliches Leben weiterhin alles Gute und viel Erfolg!
Prof. Dr. rer. nat. habil. Dieter Schmeißer, Vizepräsident für Forschung, Entwicklung und Innovation der BTU Cottbus
Dr. Henriette Freifrau
von Preuschen von
und zu Liebenstein
Max-Grünebaum-Preis – Denkmalpflege
Sehr verehrte Damen und Herren, ich wollte Ihnen zunächst das Corpus Delicti zeigen. Einige von Ihnen werden auf dem Titelblatt den Akteur Ulbricht erkennen, für diejenigen, die ihn nicht erkennen, werde ich im Laufe meiner kurzen Laudatio nochmals auf ihn zurückkommen.
Es freut mich ganz besonders, Ihnen heute eine Arbeit vorstellen zu können, die ich auch verstanden habe. Das ist großartig, denn ich werde auch ab und zu gebeten, Arbeiten vorzustellen, die ich nicht verstanden habe, aber diesmal ist es anders. Außerdem handelt es sich um eine Arbeit – deshalb habe ich sie auch mitgebracht -, die nicht aussieht wie eine normale Dissertation, die im 2.000 Euro- Umdruckverfahren hergestellt wird, sondern es ist ein richtiges Buch, das in der Wernerschen Verlagsgesellschaft Worms erschienen und vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege herausgegeben worden ist.
Zudem ist es ein spannendes Buch, das mich gepackt und nicht losgelassen hat, liebe Frau von Preuschen. Zunächst einmal ganz herzlichen Dank dafür!
Zweitens will ich versuchen, Ihnen skizzenhaft darzustellen, worum es in diesem Buch geht, und dazu muss ich etwas ausholen. In meiner Festrede habe ich von Kunst und Wissenschaft, von Geisteswissenschaft, Naturwissenschaft und Ingenieurwissenschaften gesprochen, und hier haben wir nun ein Beispiel dafür, und zwar im Rahmen mehrerer Fächer, die sich mit Bauen beschäftigen. In diesem Bereich können wir in den letzten Jahren eine neue Entwicklung beobachten, nämlich dass sich das Umfeld historischer Bauforschung von der Archäologie bis zur Denkmalpflege zu einer geisteswissenschaftlichen Leitdisziplin herausgebildet hat. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Disziplinen, die da zusammengehören, gemerkt haben, dass es in Bezug auf die Baudenkmale und ihre Pflege ein historisch-soziologisches Umfeld gibt, eine Realgeschichte, die sich in der Baugeschichte spiegelt und aus der man viel über die Art und Weise, wie man mit Denkmalen umgeht, und umgekehrt viel über die Realgeschichte lernen kann.
Die Untersuchung, die Frau von Preuschen vorgelegt hat, umfasst den Zeitraum der DDR-Geschichte, unterteilt ihn in vier Phasen, und versucht herauszustellen, in welcher Weise Politik und Ideologie die scheinbar rein neutrale Denkmalpflege und den Umgang mit Denkmalen beeinflusst haben, und zwar – das ist sehr beeindruckend zu sehen – am Beispiel der Kirchen. Es geht also um den ideologischen und denkmalpflegerischen Umgang mit im Kriege zerstörten Kirchenbauten der DDR – mit einer Ausnahme, muss man allerdings dazu sagen: es wird nämlich auch die nicht-kriegszerstörte und trotzdem gesprengte Universitätskirche in Leipzig behandelt. Dabei handelt es sich um ein besonders deutliches Beispiel dafür, wie stark Politik, Ideologisierung und Uminterpretation der Geschichte den Umgang mit historischen Denkmalen beeinflusst, und darauf bezieht sich auch das eingangs erwähnte Bild, das Walter Ulbrichts Griff nach den Kirchen illustriert.
Die Untersuchung ist im Zusammenhang einer langjährigen Tätigkeit in Cottbus entstanden. Frau von Preuschen ist in Bonn geboren, sie ging dann nach Hamburg und hat dort ihr Abitur gemacht. Schon das Abitur ist ein Abitur mit einer guten Zensur, aber von da an ging es noch weiter aufwärts, also kann man offenbar auch mit einem guten Abitur sehr gut werden. Man soll nicht allzu viel Gewicht auf Schulzensuren legen, will ich damit sagen. Ich finde es großartig, wie jemand, der sich für den wissenschaftlichen Weg entscheidet, plötzlich intellektuell und akademisch geradezu explodiert. Frau von Preuschen ist zu einem Studium der Denkmalpflege nach Cottbus gekommen, ist dann zur Universität York gewechselt und hat dort noch einen Master in Conservation Science gemacht, ist also doppelt qualifiziert; nach einem kurzen Aufenthalt im Ausland ist sie wieder hierher zurückgekehrt und hat in der International Graduate School, einer Einrichtung, die die Universität zur Förderung junger, hochbegabter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen hat, ihre Promotion 2010 erfolgreich beendet.
Von 2003 bis 2009 war sie zudem wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Denkmalpflege, sie ist in der Zwischenzeit in Freiburg i. Br. zur Konservatorin ernannt worden, d.h. auch ihre berufliche Karriere ist bislang schnell und erfolgreich verlaufen.
Es ist mir ein großes Vergnügen, Ihnen jetzt die Preisträgerin Henriette von Preuschen präsentieren zu dürfen. Ich bitte sie, dazu auf die Bühne zu kommen.
Prof. Dr. habil. Walther Ch. Zimmerli, Präsident der BTU Cottbus
Susann Harder
Ernst Frank-Förderpreis
Frau Susann Harder wurde am 17.10.1983 in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) geboren. Nach dem Erwerb des Abiturs begann Sie 2002 ein Studium an der Universität Leipzig mit den Kernfächern Ägyptologie und Altorientalistik. Während ihrer Ausbildung absolvierte sie mehrere Grabungspraktika und bildete sich im In- und Ausland vor allem in Sprachkursen und durch die Teilnahme an der Wiener International Summer School weiter. In ihrer bemerkenswerten Biographie kann man lesen, dass sie neben verhandlungssicherem Englisch auch noch Französisch und Arabisch spricht. Dazu kommen Latein und mehrere Sprachen kleinerer Kulturvölker.
Ihr Interesse an fremden Kulturen führte sie 2008 nach Kairo, wo sie am dortigen Deutschen Archäologischen Institut beschäftigt war. Sie hielt Vorträge und Seminare ab, bemühte sich aber auch darum, deutschen Besuchern die ägyptische Kultur näherzubringen. Seit Ihrem zweijährigen Aufenthalt in Kairo interessiert sie sich besonders für den Schutz von Kulturgütern und dabei insbesondere in einem sich rapide verändernden städtischen Umfeld. Allzu oft fallen die architektonischen Hinterlassenschaften der Vergangenheit dem modernen Entwicklungsdrang und gewinnorientierten Bauprojekten zum Opfer. Andernorts explodiert die Zahl an Bauvorhaben, die historische Fassen zusammenhanglos an Glasund Stahlbauten montieren. Um an einem Kompromiss zwischen diesen beiden Extremen mitzuwirken, traf Frau Harder die Entscheidung, nach ihrem Auslandsaufenthalt in Kairo das Studium im Master-Programm World Heritage Studies an der BTU aufzunehmen. Sie gehört zu den besten Studierenden in diesem englischsprachigen Studiengang unserer Universität. Ihrem Interesse folgend, hat sie ihren Schwerpunkt in den Bereich Stadtentwicklung / Denkmalpfege gelegt und Seminare zu diesem Thema besucht.
Prof. Peter Burman bescheinigt ihr eine exzellente Arbeitsweise mit sehr guten Ergebnissen. Sie bereichert die Seminare nicht nur durch ihre intellektuellen Fähigkeiten, sondern auch durch Engagement und Diskussionsfreude. Aus diesen Gründen hat er sie für ein Praktikum bei „Edinburgh World Heritage“ empfohlen, einer Organisation, welche die Weltkulturerbestätte Edinburgh repräsentiert und vor allem die relevanten Entscheidungsträger entsprechend der Richtlinien des World Heritage Committee berät. Damit agiert „Edinburgh World Heritage“ an der Schnittstelle zwischen den städtischen Behörden, den Vertretern der Wirtschaft, den Stadtbewohnern und nicht zuletzt der UNESCO. Es ist nicht verwunderlich, dass Susann Harder aus einer Vielzahl von Bewerbern für diese Praktikumsstelle ausgewählt wurde und genauso wenig verwundert es, dass ihr die Max-Grünebaum-Stiftung ohne zu zögern den Ernst-Frank-Förderpreis zur Unterstützung ihres Praxisaufenthaltes inSchottland zuerkannt hat. Ihr dort eigenständig realisiertes Forschungsprojekt zum Management des städtischen öfentlichen Raumes hat ihr viele neue Kenntnisse gebracht und ihre Inspiration zur weiteren Arbeit auf diesem Wege gestärkt, für den wir ihr viel Erfolg wünschen. Befragt nach ihren sonstigen Interessen, nennt sie in erster Linie ihren Fabel für vorchristliche Kulturen des Nahen Ostens sowie der islamischen Kultur, was sich auch an der Wahl ihrer Studienfächer an der Universität Leipzig zeigt. Zu Schulzeiten hat sie im Chor gesungen und Volleyball gespielt. In Kairo hat sie wieder mit Sport angefangen, genauer mit Rudern und Kajak. Ihr neuestes Projekt, inspiriert vom schottischen Wetter, ist es, stricken zu lernen. Sie spielt generell auch sehr gern Computerspiele. Aber das, sagte sie uns, muss nun wirklich nicht in die Laudatio!
Prof. Dr.-Ing. Matthias Koziol, Vizepräsident für Lehre, Personalentwicklung und wissenschaftliche Weiterbildung der BTU Cottbus